Open Library: Mehr Bibliothek für die Bürger

Das Angebot von Bibliotheken umfasst heute in vielen Kommunen weit mehr als die Ausleihe von Büchern. Die Einrichtungen entwickeln sich zu Orten von Bildung und Begegnung. Durchgängig geöffnete Open Libraries unterstützen dieses Konzept.

Öffentliche Bibliotheken verändern sich grundlegend und sind vielerorts zu Innovationstreibern und Frequenzbringern der Ortszentren geworden. Zwei Trends der letzten Jahre, in die Gemeinden viel investiert haben, stehen hier im Vordergrund:

  • Die Digitalisierung, der Bibliotheken mit ihren digitalen Angeboten Rechnung tragen, wie zum Beispiel der „Onleihe“-E-Book-Plattform oder Streaming-Plattformen für Film und Musik. Diese digitalen Dienstleistungen sind gerade in der Corona-Krise sehr wichtig geworden.

  • Das Konzept „Bibliothek als Ort“, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt und das Aufenthaltserlebnis für die Nutzer in den Vordergrund stellt.

Die Bibliothek als Ort setzt den Fokus auf die Aufenthaltsqualität der Räumlichkeiten. Zahlreiche Bibliotheken bieten Lesecafés mit gemütlichen Sofas, Sitzgruppen, kleinen Tischen und einer Kaffeemaschine an, in denen man gerne Zeit mit einer Zeitschrift, einem Buch oder mit Freunden verbringt.

Daneben gibt es Lernräume, die Schülern Möglichkeiten bieten, Hausaufgaben zu machen und zu lernen, Gaming-Räume, in denen man nach den Hausaufgaben mit Freunden spielen kann und Makerspaces, in denen die Besucher neue Technologien wie 3-D-Drucker, Roboter und andere Dinge kreativ nutzen und damit zukunftsorientierte Fähigkeiten entwickeln kann.

Schade ist, dass diese schönen Aufenthaltsorte nur unzureichend genutzt werden können. Laut deutscher Bibliotheksstatistik waren öffentliche Bibliotheken im Jahr 2018 im Durchschnitt pro Woche nur 24 Stunden geöffnet. Das ist reichlich wenig, wenn man sie mit den Öffnungszeiten von Geschäften und gastronomischen Betrieben vergleicht.

In vielen Gemeinden ist aber kaum Geld vorhanden, die Öffnungszeiten auszuweiten, was höhere Personalkosten verursacht. Dazu kommen die derzeitigen Beschränkungen bei der Anzahl der Besucher, die sich gleichzeitig in einer Bibliothek aufhalten dürfen, was die Nutzungsmöglichkeiten weiter schmälert.

Nutzung außerhalb der regulären Öffnungszeiten

Eine Möglichkeit, Bürgern mehr Bibliothek zu bieten, heißt „Open Library“. Das bedeutet, dass die Nutzer außerhalb der regulären Öffnungszeiten ohne Personal Zugang zur Bibliothek bekommen und diese nutzen können. Das Konzept stammt ursprünglich aus Skandinavien, wo in Dänemark 2004 die erste Open Library ihre Türen öffnete. Deutschland hat seit 2014 Open Libraries. Inzwischen gibt es in Skandinavien mehr als 400 Installationen und etwa 30 bis 40 in Deutschland. Hierzulande kommt das Open-Library-Angebot hauptsächlich zur Ausweitung der Öffnungszeiten am Morgen und am Abend sowie an Schließtagen zum Einsatz.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten eine Open Library einzurichten:

  • Mit einem Partner, zum Beispiel einer Bäckerei wie im oberbayerischen Esting oder einem italienischen Café wie im fränkischen Fürth. Beide Bibliotheken sind räumlich nicht von der Bibliothek getrennt und offen, wenn die Partnerbetriebe auch offen haben. In Esting ist es nun möglich, die Bibliothek 77 Stunden pro Woche zu nutzen.

  • Mit digitaler Technologie, die den Zugang zur Bibliothek regelt und besonders in den Tagesrandzeiten ganz ohne Personal auskommt. Dabei kommen Kartenlesegeräte mit oder ohne PIN-Pads und automatische Türen zum Einsatz, die berechtigten Bibliotheksnutzern Zugang gewähren. Ein Beispiel für den Einsatz einer solchen Open Library ist Moers (Nordrhein-Westfalen), die von Easycheck ausgestattet wurde. Dort war es möglich, die Wochenöffnungsstunden von 35 auf 69 Stunden zu erhöhen. Mit diesem Ansatz ist es theoretisch möglich, die Bibliothek rund um die Uhr zu öffnen.

Beide Ansätze geben Bürgern wesentlich mehr Flexibilität, die schönen Räumlichkeiten und vielfältigen Angebote von Bibliotheken wahrzunehmen. Um eine Bibliothek auch ohne Personal zu öffnen, ist allerdings technisch mehr erforderlich als ein Kartenlesegerät und eine automatische Tür.

Eine Open Library bedarf technischer Raffinessen, wie zum Beispiel Selbstverbuchung, Lichtsteuerung und eines Lautsprechersystems sowie detaillierter Planung. Obwohl Vandalismus in deutschen Open Libraries kein großes Problem darstellt, ist es sinnvoll, eine Videoüberwachung einzurichten, Telefone aus dem Weg zu räumen und Toiletten möglicherweise während den unbemannten Stunden zu verschließen.

Eine zentrale Software, die Zugangskontrolle, Türen, Licht, Lautsprecher- und Alarmanlagen steuert, gehört auch dazu. Hier gibt es Komplettangebote, die die gesamte Einrichtung und Verwaltung der Open Library regeln, die Kameras steuern, Videos aufzeichnen und außerdem Statistiken erheben. Denn man möchte ja auch wissen, wie stark die Open Library außerhalb der Kernöffnungszeiten in Anspruch genommen wird.

Die Open Library ist natürlich kein Ersatz für eine Bibliothek mit geschultem Personal. Die größte Anzahl der Besucher kommen erfahrungsgemäß immer noch während der regulären Öffnungszeiten, denn es gibt nach wie vor Bedarf an Beratung und Service. Als praktisches Zusatzangebot, das Flexibilität und mehr Zugang für Bürger bietet, ist Open Library gerade auch jetzt eine gute Option und eine sinnvolle Investition, um die Attraktivität Ihrer Bibliothek noch weiter zu steigern.

Falls ein Bibliotheksbetreiber noch nicht für eine Open Library im physischen Raum bereit ist, gibt es die Möglichkeit, die Einrichtung 24 Stunden zum Beispiel durch die Onleihe am Tag auf digitalem Wege nutzbar zu machen. Dieses Angebot hat mehr als eine Million jährlicher Nutzer.

Johannes Neuer

Der Autor
Johannes Neuer ist der Bibliothekarische Direktor von EKZ- Bibliotheksservice in Reutlingen, einem Unternehmen der EKZ-Gruppe zu der auch die Onleihe und Easycheck gehören