Gründliche Planung steht am Anfang

Öffentliche Auftraggeber sind vom 18. April 2016 an mit dem neuen Vergaberecht konfrontiert. Was das für die Ausschreibung freiberuflicher Leistungen bedeutet wie auch für die Immobilienwirtschaft, diskutierten Experten jüngst in Stuttgart.

Für eine nachhaltige Nutzbarkeit und den wirtschaftlichen Betrieb sowie die politische Akzeptanz öffentlicher Immobilien ist die Qualität der zugrundeliegenden Planung von zentraler Bedeutung. Oberhalb eines Schwellenwertes von 209.000 Euro müssen Planungsleistungen im Rahmen der Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) ausgeschrieben werden. Welche Vorbereitungen und Abläufe für ein solches Verfahren zu beachten und wie diese zu steuern sind, haben drei Experten im Rahmen eines Workshops jüngst in Stuttgart aufgezeigt. Einhellige Empfehlung der Vortragenden ist es, zu einem frühen Zeitpunkt die erforderlichen „Weichenstellungen“ vorzunehmen, um entscheidende Risiken für den Projektverlauf von Beginn an zu minimieren.

Erste Schritte und Schnittstellen im Fokus

Besonderes Augenmerk sei aus rechtlicher Sicht auf die Schnittstellen im Prozess des Verfahrens und die Art des Verfahrens zu legen. Gerade die Klärung der ersten Schritte wie etwa die Formulierung von Eignungs- und Zuschlagskriterien stellte Dr. Martin Ott heraus. Er ist Rechtsanwalt bei der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler.

Öffentliche Auftraggeber sind ab dem 18. April 2016 mit dem vollständig neu gefassten Vergaberecht konfrontiert, das die VOF in die neu gefasste Vergabeverordnung integriert. Vor Einleitung des Vergabeverfahrens muss ein Auftraggeber alle wesentlichen verfahrensleitenden Entscheidungen (Eignungskriterien, Auswahlkriterien und Zuschlagskriterien) und deren zu erwartende Auswirkungen auf den Wettbewerb durchdacht und inhaltlich abgestimmt haben, erläuterte Ott.

Die Vorgaben variieren naturgemäß stark danach, ob bei spezifischen Fachplanungsleistungen gegebenenfalls nur sehr wenige Bewerbungen zu erwarten sind oder aber bei der Vergabe von Objektplanungsleistungen mit einer Vielzahl an Bewerbern gerechnet werden muss. Eignungs- und Auswahlkriterien dürften Auftraggeber nach erfolgter Bekanntmachung nicht mehr ändern, so der Rechtsanwalt. Die Kriterien für den Zuschlag im Verhandlungsverfahren ließen sich nur unter strengen Voraussetzungen modifizieren.

„Gerade am Anfang nehmen wir uns ausreichend Zeit, die Aufgabenstellung präzise zu definieren“, sagte Anne Sick, Amtsleiterin für Hochbau und Gebäudewirtschaft der Stadt Karlsruhe. Wichtig sei aus ihrer Erfahrung, sich nicht unter Druck setzen zu lassen: „So kann es sinnvoll sein, zunächst eine Machbarkeitsstudie zu erstellen oder zu beauftragen.“ Auch Evmarie Zell, Leiterin Immobilienportfolio-Management und Projektsteuerung beim Immobilienberatungs- und entwicklungsunternehmen Kubus 360, unterstrich die Potenziale der Leistungsphase 0: „Hier sind die Spielräume am größten, um die Planungsparameter für die Herstellung sowie die spätere Wirtschaftlichkeit im Betrieb zu optimieren.“ Hierfür sei eine klare Strukturierung im Hinblick auf Bedarfsermittlung und Terminplanung des Verfahrens bereits zu Beginn wichtig – vor die Kammer wolle schließlich niemand, so Evmarie Zell. Für die Wahl des Vergabeverfahrens – mit oder ohne Planungsanteil – sei es dann entscheidend, welche Anforderungen das Projekt habe und welche zeitlichen Rahmenbedingungen der Auftraggeber berücksichtigen müsse.

Offen und transparent kommunizieren

Das Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft Karlsruhe, das über 900 Immobilien betreibt, legt großen Wert auf eine solide Projektentwicklung. Diese sei oftmals Grundlage für den Erfolg des Projektes, so Anne Sick. Die Stadt hat hierfür eigene Kapazitäten. Kleineren Kommunen empfiehlt die Amtsleiterin, diese Aufgabe extern zu vergeben.

Für alle Seiten sei grundlegend, ein solides und störungsfreies VOF-Verfahren sicherzustellen: „Eine offene und transparente und damit verbindliche Kommunikation und Dokumentation ist hierfür entscheidend“, betonte Anne Sick. Gerade bei Wettbewerbsverfahren gelte es den Gemeinderat einzubeziehen. Das VOF-Verfahren sei kein starres Korsett, sondern durchaus als „Akquise-Tool“ nutzbar und zu gestalten. So sollten selbst die „Verlierer“ einbezogen werden, etwa für künftige Ausschreibungen und Projekte.

An dem halbtägigen Workshop „VOF-Verfahren aktiv managen – Strukturen – Prozesse – Stellschrauben“ Mitte März in Stuttgart nahmen rund 20 kommunale Bauherrenvertreter aus Südwestdeutschland teil. Die meisten hatten bisher noch keine VOF-Verfahren durchgeführt.

In der Diskussion kam die Frage auf, ob es rechtens und sinnvoll sei, wenn Projektanten – also diejenigen, die die Unterlagen zur Aufgabenstellung vor- und aufbereitet haben – sich auch selbst bewerben. Sowohl die Experten als auch das Publikum waren sich einig, dass dies kein Risiko für das Projekt bedeute. Voraussetzung sei, dass darüber Transparenz hergestellt würde und die entsprechenden Unterlagen allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt wird.

Insa Lüdtke

Die Autorin
Insa Lüdtke, Berlin, ist freie Autorin mit Schwerpunkt Immobilienwirtschaft