Wasserkonzessionsvergabe nach Recht und Gesetz

Die Vergabe von Trinkwasserkonzessionen unterliegt keinem förmlichen Vergabeverfahrenszwang. Gleichwohl müssen die Vergabegrundsätze des europäischen Primärvergaberechts beachtet werden. Das eröffnet Kommunen auch künftig die Möglichkeit zur Inhouse-Vergabe.

Mit Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe wurde die Vergabe von Trinkwasserkonzessionen ausdrücklich von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Diese Bereichsausnahme setzte der deutsche Gesetzgeber um (§ 149 Nr. 9 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB). Seitdem herrscht Unsicherheit unter den kommunalen Konzessionsgebern, unter welchen Voraussetzungen sie Trinkwasserkonzessionen rechtssicher vergeben können.

Der Sinn dieser Bereichsausnahme wurde mit ihrer Einführung politisch kontrovers diskutiert. Letztlich trug man der Sorge der Bevölkerung vor einer „Privatisierung“ der Wasserversorgung Rechnung. In der Folge hat die Europäische Kommission Trinkwasserkonzessionen von dem Geltungsbereich der Richtlinie 2014/23/EU ausgenommen. Die Thematik bleibt aktuell, weil die Europäische Kommission bis zum 18. April 2019 dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament über die Auswirkungen der Ausnahmeregelung Bericht erstatten wird.

Die Bereichsausnahme für die Trinkwasserkonzessionsvergabe gemäß Art. 12 RL 2014/23/EU wurde nahezu wortgleich vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt. Die Ausnahme umfasst Konzessionen im Bereich Wasser, die „die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Trinkwasser oder die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze betreffen“.

Die Vergabe dieser Konzessionen unterliegt daher keinem förmlichen Vergabeverfahrenszwang. Allerdings müssen regelmäßig die Vergabegrundsätze des europäischen Primärvergaberechts beachtet werden, da die Vergabe einer Trinkwasserkonzession meistens grenzüberschreitendende Bezüge aufweist. Trotz der Bereichsausnahme besteht so eine Verpflichtung zur Durchführung eines Vergabeverfahrens.

Für die Vergabe an ein privates Unternehmen, das nicht in kommunaler Hand steht, gelten somit regelmäßig die Grundsätze des europäischen Primärrechts. Demnach muss ein transparentes und diskriminierungsfreies öffentliches Ausschreibungsverfahren mit hinreichender geografischer Weite durchgeführt werden. Der Vergabe muss eine europaweite Bekanntmachung vorausgehen, die einen angemessenen Öffentlichkeitsgrad sicherstellt, und die Trinkwasserkonzession muss im fairen Wettbewerb und in einem unparteiischen Verfahren vergeben werden. Bei der Vergabe von Trinkwasserkonzessionen ist der Konzessionsgeber allerdings freier in der Aufstellung seiner Kriterien, da diese lediglich Sachbezug aufweisen und willkürfrei sein müssen.

Die Bereichsausnahme für Trinkwasserkonzessionen führte dennoch bei den kommunalen Konzessionsgebern zu großer Beunruhigung. Denn insbesondere die Zulässigkeit einer Vergabe an eine kommunale Tochtergesellschaft im Rahmen eines Inhouse-Geschäfts wurde mit Einführung der Bereichsausnahme angezweifelt. Die Inhouse-Vergabe beruht auf einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile in Paragraf 108 GWB vom deutschen Gesetzgeber in geltendes Recht umgesetzt worden ist. Da dieser Paragraf jedoch im vierten Teil des GWB steht, ist er entsprechend der Bereichsausnahme gemäß Paragraf 149 Nr. 9 GWB formal auf Trinkwasserkonzessionsvergaben nicht mehr anwendbar. Die Vergabe von Trinkwasserkonzessionen steht somit auf den ersten Blick in einem nicht geregelten Raum mit vielen offenen Fragen.

Grundsätze zur Inhouse-Vergabe maßgeblich

Der zweite Blick offenbart, dass in Anwendung des europäischen Primärrechts auch die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen vom Vergabeverfahrenszwang für Inhouse-Geschäfte und interkommunale Kooperationen trotz der Bereichsausnahme Anwendung auf die Vergabe von Trinkwasserkonzessionen finden. Das heißt, die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Inhouse-Vergabe finden Anwendung, aber eben direkt und nicht über Paragraf 108 GWB. Der Trinkwasserkonzessionsgeber darf demnach unter Beachtung der durch den Europäischen Gerichtshof entwickelten Voraussetzungen entscheiden, die Trinkwasserversorgung im Eigenbetrieb zu leisten, die Konzession im Rahmen eines Inhouse-Geschäfts an eine 100-prozentige Tochtergesellschaft abzugeben oder die Aufgabe mit anderen Kommunen im Rahmen einer Kooperation oder eines Gemeinschaftsunternehmens wahrzunehmen.

Mittlerweile befinden sich weite Teile der Trinkwasserversorgung in Deutschland wie in ganz Europa in der Hand von Privatunternehmen. Unabhängig davon, ob die Trinkwasserversorgung einem eigenen Vergaberechtsregime unterworfen wird, ist Trinkwasser bereits eine Ware am freien Markt und unterscheidet sich insofern kaum von Strom und Gas. Die Politik hat dies erkannt und wollte deswegen schon im Jahr 2014 Regelungen zur Marktöffnung durchsetzen, fügte sich jedoch dem politischen Widerstand der Bevölkerung. Das Resultat ist die Bereichsausnahme von den gesamten vergaberechtlichen Regelungen des GWB, bei Weitergeltung der primärrechtlichen Vergabeprinzipien. Nachteilig und anwenderunfreundlich ist an diesem Zustand, dass die Regeln für die Konzessionsgeber nicht klar erkennbar sind. Dies kommt wie dargestellt insbesondere bei der unklaren Rechtslage in Fragen der Inhouse-Vergabe zum Tragen und birgt für die Kommunen eine große Unsicherheit betreffend die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens.

Aus diesen Gründen steht das Bedürfnis für eine Regelung der Trinkwasserkonzessionsvergabe außer Frage. Ob hiermit eine weitere Öffnung der Trinkwasserversorgung auf den freien Markt einhergeht, wird die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers sein. Für eine Öffnung zum freien Markt spricht, dass die Gründe für eine Sonderstellung der Wasserversorgung zusehends abnehmen. Denn die technischen und infrastrukturellen Gründe werden durch die fortschreitende Technik weniger und hinsichtlich des menschlichen Bedarfs zur Erfüllung der Grundbedürfnisse kommt Strom mittlerweile wohl die gleiche Bedeutung wie Wasser zu: Ohne hinreichende Stromversorgung ist die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung nicht zu gewährleisten.

Festzuhalten ist gleichwohl, Inhouse-Vergabe von Trinkwasserkonzessionen ist auch weiterhin möglich. Soweit eine Kommune von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch machen kann oder will, so ist sie zur Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens auf der Grundlage des europäischen Primärrechts verpflichtet.

Martin Brück von Oertzen / Susanna Wittenstein

Die Autoren
Martin Brück von Oertzen und Susanna Wittenstein sind Rechtsanwälte in der Kanzlei Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft in Hamm

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