Waldkirch hat sich auf den Weg gemacht

Die Stadt Waldkirch treibt die Digitalisierung voran. Sie hat die IT im Rathaus modernisiert und das WLAN-Netz ausgebaut. Und die Entwicklung der Smart City geht weiter, wie Oberbürgermeister Roman Götzmann im Interview aufzeigt. Mit ihren Aktivitäten nimmt die Stadt sogar an einem Wettbewerb teil.

Herr Oberbürgermeister Götzmann, die Kommunen stehen massiv unter Druck. Aus der Politik und vielen Teilen der Gesellschaft kommt zum Teil harsche Kritik, dass sie nicht schnell genug digitalisieren. Wie gehen Sie in Waldkirch mit dieser Situation um?

Götzmann: Die Kritik ist durchaus verständlich, da die Bürger in ihrem täglichen Leben bereits viele Vorgänge digital erledigen, wie beispielsweise Bankgeschäfte. Wenn sie dann aber mit dem Rathaus kommunizieren, stoßen sie plötzlich auf eine Verwaltung, die in großen Teilen noch eine Papier-Verwaltung ist. Hier müssen wir nacharbeiten, was aber nicht ganz so einfach ist. Es ist ein finanzieller und personeller Kraftakt. Die notwendigen Mittel müssen eingestellt und die Mitarbeiter in der Verwaltung geschult werden. In Waldkirch haben wir uns auf den Weg gemacht.

Sie haben eine Digitalisierungsstrategie initiiert und haben mit dieser auch am Wettbewerb „Digitale Zukunftskommune@bw“ des Landes Baden-Württemberg teilgenommen. Was war die Initialzündung?

Götzmann: Wir haben in den vergangenen Jahren schrittweise unsere rathausinterne IT modernisiert sowie den WLAN-Ausbau in der Stadt vorangetrieben. Die Wettbewerbsausschreibung hat zu Überlegungen geführt, wie wir hier die Themenfelder verbinden und neue Aktivitäten voranbringen können. Ich bin sehr froh, dass das Thema Digitalisierung im Waldkircher Rathaus gut angenommen wurde und wir einen konstruktiven Prozess begonnen haben.

Was planen Sie konkret?

Götzmann: Wir konzentrieren uns in unserer Bewerbung zunächst auf die Themenfelder Verwaltungsmodernisierung und Mobilität. Bei Ersterem stehen interne Maßnahmen im Vordergrund wie beispielsweise der digitale Rechnungslauf. Es geht aber auch um den Ausbau der E-Government-Möglichkeiten sowie eine digitale Bürgerplattform auf GIS-Basis. Im Mobilitätsbereich schlagen wir vor, zunächst zwei Mobilitätsplätze für Carsharing und E-Bikes einzurichten, deren Verfügbarkeit online abgerufen werden kann.

Ein Digitalisierungsprozess ist komplex, benötigt Fachwissen und sollte bestenfalls alle Menschen in der Kommune motivieren und in den Prozess einbinden. Klingt nach einer schwer zu lösenden Aufgabe. Wie gehen Sie diese Anforderungen an?

Götzmann: Als mittelgroße Kommune sind wir auf externen Sachverstand angewiesen. Für die Projekte im Mobilitätsbereich werden wir mit unserem ortsansässigen Sensorhersteller Sick zusammenarbeiten und Lösungen entwickeln. Wir wollen darüber hinaus Experten vor Ort einbinden. Beispielsweise verfügt unser Stadtseniorenrat über eine aktive Gruppe, die sich mit IT-Fragen in Bezug auf die ältere Generation auseinandersetzt. Dieses Know-how greifen wir gerne auf.

Digitalisierung macht vor keinem Sektor in der Kommune Halt. Wir sprechen also über Querschnittsthemen und -projekte, mit denen Kommunen im Prozess und bei der technischen Entwicklung Neuland betreten. Überfordert das nicht kommunale Entscheidungsstrukturen und Denkweisen?

Götzmann: Die Kommunen haben sich immer neuen Aufgaben gestellt und diese gemeistert. Es erfordert tatsächlich in vielen Bereichen ein Umdenken, weil erst im Prozess klar wird, wie eng einige Themen miteinander verzahnt sind und deshalb genau mitgedacht werden müssen. Es reicht eben nicht aus, wenn man irgendwo im Stadtgebiet E-Bikes aufstellt, sondern man muss auch Informationen über Verkehrsfluss und -planung berücksichtigen.

Was erwarten Sie: Wie wird die Smart City Waldkirch den Verwaltungsalltag prägen?

Götzmann: Die Smart City wird in jedem Fall neue Arbeitsformen in der Verwaltung mit sich bringen, wobei der Abschied vom Gewohnten durchaus ein langer Prozess sein kann. Wenn er aber Vereinfachungen mit sich bringt, wird sich auch die notwendige Akzeptanz einstellen. Ein Beispiel: Bisher laufen manche Rechnungen in Papierform über zwei bis drei Wochen durch die Verwaltung, bis alle notwendigen Unterschriften geleistet sind. Mithilfe der Digitalisierung können wir solche Prozesse deutlich schneller durchlaufen. Das zahlt sich sowohl hinsichtlich der Arbeit, die die Mitarbeitenden mit dem Rechnungslauf haben, als auch hinsichtlich der Serviceorientierung der Verwaltung aus.

Kommunen bekommen wenig Unterstützung von Bund und Land, wenn sie digitalisieren möchten. Stimmen Sie diesem Satz zu und wenn ja, was würden Sie sich als Unterstützung erhoffen?

Götzmann: Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ist es erfreulich, dass wir uns viele Dinge selbst erarbeiten und ausgestalten können. Dies gilt gerade für Bereiche wie Verkehr und Einzelhandel, die lokal sehr unterschiedliche Voraussetzungen haben. Auf der anderen Seite wäre es für die Kommunen sinnvoll, wenn gerade im Bereich des E-Governments klare Vorgaben bestehen würden. Es ist den Bürgern kaum zu vermitteln, dass derselbe Verwaltungsvorgang von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt wird.

Glauben Sie, dass sich der Digitalisierungsprozess am Ende des Tages auch positiv im Waldkircher Haushalt bemerkbar machen wird?

Götzmann: In diesem Bereich wäre ich vorsichtig mit vorschnellen Ankündigungen. Ziel ist es, in der Verwaltung effizienter zu arbeiten. Welche konkreten Folgen dies in den kommenden Jahren haben wird – und ob nicht vielleicht bei der IT-Betreuung an den Schulen neue Aufgaben dazu kommen –, bleibt abzuwarten.

Interview: Carlo Schöll (Berater bei der Agentur Bächle & Spree in Berlin)

Zur Person: Roman Götzmann (Jg. 1982) ist seit 2015 Oberbürgermeister der Stadt Waldkirch (rund 22.000 Einwohner, Baden-Württemberg). Er studierte Politische Wissenschaft, Öffentliches Recht und Geschichte. Vor seinem Amtsantritt er im baden-württembergischen Staatsministerium das Büro des Ministers für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten. Zu den Arbeitsschwerpunkten in der Orgelstadt Waldkirch zählen die Breitbandversorgung und die Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus. Als Mittelzentrum im Dreiländereck Deutschland – Schweiz – Frankreich bietet die Stadt Unternehmen eine gute Grundlage für internationale Aktivitäten. Großunternehmen wie der Sensorhersteller Sick oder der Achterbahnhersteller Mack Rides sind hier ansässig.