Wärmewende: Vom Klein-Klein zum großen Wurf

Der Gebäudesektor bietet erhebliches Potenzial zur Senkung des Energie­verbrauchs. Damit die Wärmewende gelingen kann, braucht es Städte und Gemeinden, die effiziente Quartierslösungen und Nahwärmenetze realisieren. Bund und Länder stellen zur Planung Fördermittel bereit.

Wer sich den Endenergieverbrauch in Deutschland betrachtet, kommt ins Grübeln: Nur 20 Prozent davon sind Strom. Schon der Verkehrssektor schlägt mit 30 Prozent zu Buche, aber auf die Wärme- und Kältebereitstellung entfällt der komplette Rest von 50 Prozent.

Alle Beteiligten der fachlichen Klimadebatte mühen sich redlich, die extreme Fixierung von Politik und Öffentlichkeit auf das Thema Strom zu lösen. Trotzdem bleiben Wärme und Verkehr die Stiefkinder der Energiewende. Schon eine nennenswerte Steigerung der Sanierungsrate für die rund 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland will uns einfach nicht gelingen. Der Gebäudereport der Deutschen Energie-Agentur (Dena-Gebäudereport) zeigt jedes Jahr aufs Neue, dass wir trotz aller vorhandenen Anreize bei einer Sanierungsrate von unter einem Prozent feststecken.

Für ein Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung bräuchten wir aber, auch das hat die Agentur längst berechnet, mindestens 1,4, besser sogar 2,0 Prozent. Seit 2010 ist der Endenergieverbrauch im Gebäudebereich nicht mehr großartig gesunken, belegt der Dena-Report. Für eine echte Wärmewende braucht es also ein Bündel neuer Ideen und deutlich mehr Einsatz.

Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Effiziente Quartierslösungen, erneuerbare Wärmeinseln, flächendeckende Nahwärmenetze, Smart-City-Pilotprojekte mit ausgeklügelter Sektorenkopplung – die Bandbreite der Ansätze, das fossile Energiezeitalter zu beenden, ist riesig. Gerade dort, wo Kommunen die Sache selbst in die Hand nehmen, sehen wir derzeit echte, greifbare Fortschritte.

Wärmeversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge

Die Voraussetzung dafür ist freilich, dass Städte und Gemeinden die nachhaltige Wärmeversorgung wieder als Teil ihrer Daseinsvorsorge begreifen. Insbesondere bei Gemeinden unter 5000 Einwohnern ist die Sorge oft groß, dass man sich damit mehr Arbeit aufbürdet, als eine kleine Verwaltung zu leisten imstande ist. Doch nur wenn Kommunen ihre Bürger bei der Wärmewende nicht allein lassen, geschieht Klimaschutz in größerem Umfang. Wenn durch ein Wärmenetz in 50 oder 100 Haushalten der Ölkessel stillgelegt werden kann, ist auf einen Schlag mehr erreicht als das, was engagierte Energieberater und Heizungsbauer in den letzten zehn Jahren an Einzelmaßnahmen mühsam anschieben konnten.

Umso wichtiger ist es, bei der Ermittlung der planerischen Grundlagen die zur Verfügung stehenden Förderinstrumente von Bund und Ländern zu nutzen. In Bayern zum Beispiel bieten sich Energiekonzepte und Energienutzungspläne an, um in Kommunen unterschiedlichster Größenordnung die nächsten praktischen Schritte der Energiewende zu definieren. Mit diesem strategischen Planungsinstrument, das vom Freistaat mit bis zu 70 Prozent gefördert wird, werden nicht nur die energetischen Grundlagen innerhalb der Gemeindegrenzen im Detail ermittelt. Ein Energienutzungsplan beschreibt vor allem auch die Potenziale zur Nutzung erneuerbarer Energie und nennt konkrete Maßnahmen, die dafür erforderlich sind. Ein Schwerpunkt liegt oft auf der Planung von Wärmenetzen.

Natürlich erfordert ein solches Konzept die Zuarbeit der jeweiligen Stadt- oder Gemeindeverwaltung, vor allem im Bereich der Datenerhebung. Die Praxis hat aber gezeigt, dass auch kleine Kommunen durchaus in der Lage sind, diesen überschaubaren Aufwand zu bewältigen.

Das Problem der ersten Energienutzungspläne lag eher an der Schwelle zur Umsetzung. Ohne weitere Betreuung von außen blieben zahlreiche gute Ansätze im Konzeptstadium stecken, weil in vielen Kommunen ohne eigene Stadt- oder Gemeindewerke schlicht keine Zuständigkeiten für Wärmenetze oder andere umfangreichere Klimaschutzmaßnahmen existierten.

Der Freistaat hat das Problem erkannt und fördert seit Ende 2015 auch die Umsetzungsbegleitung für Maßnahmen aus Energienutzungsplänen mit dem gleichen Fördersatz von 70 Prozent. So gelang es, nicht nur Wärmenetze oder Fotovoltaik-Freiflächenanlagen zu errichten, sondern auch Bürgerenergiegenossenschaften zu gründen oder Umweltbildungszentren zu revitalisieren.

Planungsgrundlage für die Metropolregion Nürnberg

Ein eher ungewöhnliches Beispiel ist der Energienutzungsplan, den die Energieagentur Nordbayern im Sommer 2019 für die gesamte Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) vorgelegt hat. Erstmals wurde im Rahmen eines solchen Projekts ein Gebiet dieses Ausmaßes untersucht: 23 Landkreise in Bayern und Thüringen, insgesamt mehr als 600 Kommunen mit zusammen rund 3,5 Millionen Einwohnern.

Die Studie beschreibt den energetischen Ist-Zustand und die Maßnahmen, die für eine Einhaltung der Klimaschutzziele in der EMN notwendig sind. Sie beinhaltet auch für jede der untersuchten Kommunen eine kartografische Darstellung der Wärmebedarfsdichte und zeigt auf, wo es sinnvolle Ansätze für eine vertiefende Wärmenetzplanung gibt. Auf Basis dieser Erkenntnisse haben nun 603 Städte und Gemeinden die Möglichkeit, die Planungen zu konkretisieren und im Rahmen einer Umsetzungsbegleitung zu verwirklichen.

Wenn wir in der Wärmewende vom bisherigen Klein-Klein zum großen Wurf kommen wollen, muss dem strukturierten Umstieg auf erneuerbare Energie im Wärmesektor durch fundierte kommunale Planung der Weg bereitet werden. Dabei sprechen wir längst nicht mehr nur über herkömmliche Wärmenetze. Die Notwendigkeit zur Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr führt landauf, landab bereits zu einer Vielzahl von Feldversuchen mit immer anspruchsvollerer Vernetzung. Hierfür brauchen Kommunen nicht nur fachliche und finanzielle Unterstützung, sondern vor allem die seit Langem überfälligen Änderungen am energierechtlichen Rahmen.

Erich Maurer

Der Autor
Erich Maurer ist Geschäftsführer der Energieagentur Nordbayern in Nürnberg