Verpackungssteuer: Tübingen setzt Zeichen

Die Stadt Tübingen hat die Einführung einer Verpackungssteuer beschlossen. Sie will damit den steigenden kommunalen Kosten für die Entsorgung des Verpackungsabfalls Rechnung tragen. Dieser Beitrag diskutiert die rechtlichen und umweltpolitischen Voraussetzungen und Fallstricke der Steuer.

Als erste Gemeinde in Deutschland will die Stadt Tübingen eine sogenannte Verpackungssteuer einführen. Das hat der Gemeinderat am 30. Januar 2020 beschlossen. Sie soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt an müssen Endverkäufer von Speisen und Getränken eine Steuer von 50 Cent auf Einwegbecher, Einweggeschirr, sonstige Einweggetränkeverpackungen und Einweglebensmittelverpackungen entrichten; auf Einwegbesteck wird eine Steuer von 20 Cent fällig. Ausnahmen gelten für Verpackungen, die einer Pfandpflicht unterliegen, und für solche, die vollständig wieder am Verkaufstresen zurückgenommen und außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung stofflich verwertet werden. Auch Einweggeschirr, das auf Märkten, Festen und sonstigen zeitlich befristeten Veranstaltungen eingesetzt wird, soll von der neuen Steuer ausgenommen sein.

Mit der Einführung einer Verpackungssteuer will die Stadt Tübingen den steigenden kommunalen Kosten für die Entsorgung des Verpackungsabfalls Rechnung tragen. Rund 700 000 Euro im Jahr kostet es die Stadt Tübingen mit ihren etwa 90 000 Einwohnern, den Verpackungsmüll zu entsorgen. Darüber hinaus soll die Steuer auch dazu beitragen, dass die Menge der Einwegverpackungen zurückgeht.

Mit ihren Plänen steht die Stadt Tübingen indes nicht alleine da. Auch in anderen Kommunen wird die Einführung einer Verpackungssteuer derzeit diskutiert. Neu ist diese Idee hingegen nicht. Bereits 1991 hatte die Stadt Kassel die Einführung einer Verpackungssteuer beschlossen. Allerdings wehrten sich mehrere Unternehmen erfolgreich dagegen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Steuer für unzulässig, da diese den bundesrechtlichen Vorgaben des Abfallrechts zuwiderlief (AZ 2 BvR 1991/95 und 2 BvR 2004/95 vom 7. Mai 1998). Die Richter argumentierten, dass die Verpackungssteuer neben ihrem Finanzierungszweck auch einen Lenkungszweck verfolge, der aber im Gegensatz zu den abfallrechtlichen Regelungen allein den Letztvertreiber und die Konsumenten treffe.

Hingegen zielt das Kooperationsprinzip, das das Abfallgesetz aus dem Jahr 1986, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus dem Jahr 1994 und die Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 postuliert haben, auf ein Zusammenwirken aller Verantwortlichen innerhalb der Produktions- und Handelskette ab. Es begründet eine kollektive Verantwortung und erlaubt eine einvernehmliche Mitwirkung aller Beteiligten.

Sanktionswirkung im Fokus

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Kooperationsprinzip und der Verpackungssteuer liegt in der Sanktionswirkung. Die Steuer entfalte unmittelbar ihre Zahlungsverpflichtung und wirke wie ein Zwangsgeld, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Das Kooperationsprinzip verzichte hingegen auf Sanktionen.

Nach wie vor ist die Zulässigkeit einer Verpackungssteuer umstritten. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schien zwar die Rechtslage zunächst geklärt zu sein. Nachdem aber das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz im Jahr 2012 durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Verpackungsverordnung im Jahr 2019 durch das Verpackungsgesetz abgelöst wurden, ist die Diskussion erneut entflammt.

Einige Stimmen sind der Ansicht, dass die Einführung einer Verpackungssteuer nunmehr zulässig ist. Als Argumente werden angeführt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts damals schon nicht überzeugt habe, sich aber durch die Einführung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sowie des Verpackungsgesetzes die Rechtslage geändert und der Gesetzgeber das Kooperationsprinzip gelockert habe. Insbesondere lasse das Kreislaufwirtschaftsgesetz nunmehr Abfallvermeidungsprogramme auf Bundes- und Landesebene zu, die ausdrücklich wirtschaftliche Instrumente wie die Einführung eines vom Verbraucher zu zahlenden Aufpreises für einen Verpackungsartikel erlauben.

Andere Stimmen vertreten hingegen die Auffassung, dass die Rechtslage mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor abschließend geklärt sei. Zudem geht das Verpackungsgesetz genauso wie die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Verpackungsverordnung von der Verantwortung der Hersteller, Vertreiber und Konsumenten aus und setzt damit weiterhin das Kooperationsprinzip um. Ob daher damit argumentiert werden kann, dass sich die Rechtslage maßgeblich geändert habe, ist fraglich.

Umlagerung der Entsorgungskosten

Aus umweltpolitischer Sicht wird der Verpackungssteuer entgegengehalten, dass die EU-Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt vom 5. Juni 2019 (EU-Einwegkunststoffrichtlinie) eben auf die Reduzierung des Verpackungsmülls abziele. Deshalb sei eine Verpackungssteuer gar nicht erforderlich. So sieht die Richtlinie insbesondere vor, dass die Kosten der Gemeinden für die Entsorgung von Einwegverpackungen und anderen Kunststoffabfällen von den Herstellern dieser Produkte getragen werden müssen. Die EU-Einwegkunststoffrichtlinie ist bis zum 3. Juli 2021 ins deutsche Recht umzusetzen. Hingegen kann für eine Vereinbarkeit der EU-Einwegkunststoffrichtlinie mit einer Verpackungssteuer angeführt werden, dass sich die Richtlinie an die Hersteller richtet und die Steuer an die Verkäufer.

Für die Einführung einer Verpackungssteuer spricht, dass mit dieser die Verbraucher mittelbar in die Verantwortung genommen werden. Das ist sicherlich sinnvoll, da ohne eine Änderung des Verbraucherverhaltens eine wesentliche Reduzierung des Verpackungsabfalls nicht zu erwarten ist. Ob jedoch die Verpackungssteuer rechtlich zulässig ist, bleibt fraglich. Selbst wenn diese nunmehr im Einklang mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz steht, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit der EU-Einwegkunststoffrichtlinie. Dies dürfte maßgeblich von der Ausgestaltung der Verpackungssteuer im Einzelfall abhängen. Endgültige Gewissheit wird erneut wieder nur eine gerichtliche Klärung bringen.

Matthias Peine

Der Autor
Dr. Matthias Peine ist Rechtsanwalt bei Dombert Rechtsanwälte in Potsdam, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und hat sich auf das Abfallrecht spezialisiert