Straßenbaubeiträge: Lasten gerecht verteilen

Die Bebaubarkeit eines Grundstücks setzt voraus, dass es über öffentliche Straßen erreichbar ist. Der Gedanke, dass die Bauherren auch die notwendigen Aufwendungen zur Erschließung tragen, ist aber nicht mehr selbstverständlich. Einige Bundesländer haben die Straßenbaubeiträge bereits abgeschafft. In Brandenburg wird darüber verhandelt.

Der Landtag von Brandenburg diskutiert aktuell über die Abschaffung von Straßenbaubeiträgen. SPD und Linke wollen mit einem Gesetzentwurf vom 26. März 2019 rückwirkend zum 1. Januar 2019 auf diese Kommunalabgaben verzichten – am 1. September wird schließlich ein neuer Landtag gewählt. Damit folgt ein weiteres Bundesland dem Trend, Leistungen zum Nutzen einzelner Grundstückseigentümer durch allgemeine Haushaltsmittel zu finanzieren.

Nachdem in den Stadtstaaten Berlin 2012 und Hamburg 2016 die Rechtsgrundlagen zur Erhebung von Ausbaubeiträgen für die Erneuerung und Verbesserung kommunaler Straßen gestrichen wurden, schaffte in Bayern der Landtag mit Gesetz vom 26. Juni 2018 Straßenbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2018 ab. Nach der Landtagswahl vom 14. Oktober 2018 kündigte die Koalition aus Freien Wählern und CSU zudem weitere Änderungen des Kommunalabgabenrechts an: Jetzt sollen auch Erschließungsbeiträge für den Bau bestimmter kommunaler Straßen und Wege bis 2021 nicht mehr erhoben werden.

Derweil streiten die Kommunen mit dem Freistaat über die Erstattungszahlungen für Beitragsausfälle. Die bereitgestellten Mittel decken die veranschlagten Aufwendungen für anstehende und bereits begonnene Erneuerungsmaßnahmen nicht. Auch in Brandenburg sollen die Kommunen künftig um Landeszuschüsse bitten. Einige befürchten, dass der kommunale Straßenbau zukünftig zentralistisch gelenkt wird – auf Kosten der ländlichen Regionen.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre führen leere kommunale Kassen zu einem schlechteren Ausbauzustand der Straßen. Der Verzicht auf Straßenbaubeiträge wird diesen Befund nicht verbessern. In Brandenburg sind die Gemeinden und andere Träger der Straßenbaulast nach Paragraf 9 Absatz 1 des Landesstraßengesetzes auch nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, „die Straßen in einem den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern, umzugestalten oder sonst zu verbessern“. Fehlt dafür das Geld, so haben sie nach Absatz 2 der Vorschrift lediglich „auf einen nicht verkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen hinzuweisen“.

Lobby der Grundstückseigentümer und der Wohnungsunternehmen

Die Abschaffung der Straßenbaubeiträge wird vor allem von den Interessenverbänden der Grundstückseigentümer und der Wohnungsunternehmen befürwortet. Sie wollen ihre Klientel von Belastungen befreien, aber nicht auf die Vorteile ausgebauter und sicherer öffentlicher Straßen verzichten. In allen Bundesländern setzt die Bebaubarkeit eines Grundstücks voraus, dass dieses auch über öffentliche Straßen und Wege erreichbar ist. Lange Zeit war es deshalb für alle ein einleuchtender und selbstverständlicher Gedanke, dass die Bauherren auch die notwendigen Aufwendungen tragen, die zur Erschließung der neuen Baugebiete notwendig sind.

Diese Idee geht bereits auf das Preußische Straßen- und Baufluchtengesetz aus dem Jahr 1875 zurück. Der Sondervorteil, das bereits im privaten Vermögen befindliche Grundstück zu bebauen und damit wirtschaftlich ausnutzen zu können, rechtfertigt noch heute die Belastung der Grundstückseigentümer mit einem Anteil an den Erneuerungskosten. Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht so (AZ 1 BvR 668/10 vom 25. Juni 2014).

Diesen Vorteilsbezug ignoriert jedoch die Lobby der Grundstückseigentümer. Sie fordert wie zum Beispiel im Brandenburger Landtag im März 2019, dass „die Erhaltung eines funktionsfähigen Straßennetzes (…) keine innergemeindliche Angelegenheit oder gar Aufgabe der betroffenen Anlieger, sondern eine der zentralen Aufgaben übergeordneter politischer Einheiten (ist). Da die Erhaltung der genannten Infrastruktur Staatsaufgabe ist, muss sie von sämtlichen Bürgern nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit finanziert werden.“

Allerdings stellen sie damit nicht zuletzt die Verteilungsmaßstäbe im Straßenbaubeitragsrecht falsch dar: Schon heute sichert eine allgemein verbreitete Typisierung von Straßenkategorien, dass der Anteil der Beitragspflichtigen (regelmäßig der Grundstückseigentümer) und der von der Allgemeinheit zu tragende Teil der Baukosten in dem Verhältnis aufgeteilt werden, wie die Straße (überwiegend) genutzt wird.

Handelt es sich um eine dem Durchgangs- oder innergemeindlichen Verkehr dienende Straße, liegt der Anteil der Anlieger weit unter demjenigen, der von der Gemeinde zu tragen ist und in diesen Fällen regelmäßig viel höher ausfällt. Handelt es sich um eine „Anliegerstraße“, bei der die Erschließung der Anliegergrundstücke im Vordergrund steht, trägt die Allgemeinheit immer noch einen Anteil zwischen 20 und 30 Prozent der Baukosten.

Kommunen können Ratenzahlungen gewähren

In den meisten Bundesländern halten die Volksvertretungen dem Druck der Lobbyverbände und der von ihnen initiierten Volksinitiativen und -begehren – noch – stand. Die Sorgen der Grundstückseigentümer, mit Abgabenforderungen von einigen Tausend Euro zur Unzeit überfordert zu werden, kann man auch ernst nehmen, ohne gleich die Straßenbaubeiträge abzuschaffen: Die bis vor Kurzem übliche und kostenträchtige Verweisung der Kommunalabgabengesetze auf die Stundungszinsen der (Bundes-) Abgabenordnung, die sich auf sechs Prozent pro Jahr summierten, konnten oder wollen die Gesetzgeber etwa in Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen durch niedrigere Zinssätze abmildern. Außerdem werden dort die Kommunen ausdrücklich ermächtigt, Ratenzahlungen über zehn oder gar 20 Jahre zu gewähren.

Eine andere Möglichkeit, die Grundstückseigentümer vor finanzieller Überforderung zu schützen, sind die in Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen oder Thüringen eingeführten „wiederkehrenden Straßenbaubeiträge“: Dabei werden Anteile der jährlichen Investitionen der Kommune in ihre öffentlichen Straßen und Wege auf alle Grundstücke umgelegt, die „die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben“. Diese von den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten bestätigte Beitragserhebung fordert das zusätzliche Verständnis, dass eine – wenngleich mit einigen Hundert Euro im Jahr viel niedrigere – Zahlung auch von denjenigen Grundstückseigentümern zu leisten ist, die in einer überschaubaren Zeit keine Vorteile durch einen Ausbau der Straßen und Wege unmittelbar vor ihren Grundstücken erhielten oder in näherer Zukunft erhalten werden.

Klaus Herrmann

Der Autor
Prof. Dr. Klaus Herrmann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der auf öffentliches Recht spezialisierten Sozietät Dombert Rechtsanwälte in Potsdam. Zu seinen Schwerpunkten zählt auch das Kommunalabgabenrecht