Stadtgrün: Jeder Vorgarten zählt für die Klimaanpassung

Die grüne Infrastruktur der Städte und Gemeinden erfüllt viele Funktionen. Der steigende Nutzungsdruck auf das öffentliche Grün führt zu mehr und aufwendigeren Aufgaben für Kommunen. Von besonderer Bedeutung für die Anpassung an den Klimaschutz ist die Schaffung von Flächen für den Regenrückhalt.

Den Trend zum Leben in der Stadt gibt es in allen Ländern Europas, auch in Deutschland. Die Menschen, deren Eltern in den 1970er-Jahren „raus ins Grüne“ zogen, kehren wieder zurück und suchen Wohn- und Lebensraum im urbanen Raum. Für viele ist die Dichte der Städte attraktiv. Kurze Wege zur Arbeit, zu Sport- und Freizeitangeboten und allen anderen Infrastrukturen ziehen die Menschen an.

Ein wesentliches Motiv ist auch ökologisch begründet: Man hat erkannt, dass das Landleben mehr Energie und Ressourcen verbraucht als das Leben in der Stadt. Immer mehr Menschen wollen ohne eigenes Auto leben, vielmehr nur im Bedarfsfall Carsharing-Angebote nutzen und ihre persönliche CO2-Bilanz verbessern. Für junge Familien wie auch für ältere Menschen ist es angenehm, fußläufig zu Kultur- und Bildungsangeboten wie auch zu Einkaufsstätten oder ärztlicher Versorgung zu kommen. Der anhaltende Trend zur Urbanisierung erhöht allerdings den Druck auf die Freiräume.

Kommunen nutzen die grüne Infrastruktur unter anderem zur Stadtklimatologie und zum Hochwasserschutz, zur Gesundheitsförderung, Naturbildung, Integration oder zum sozialen Ausgleich. Insbesondere im Zuge der Anpassung an den Klimawandel leisten Grünflächen wertvolle Beiträge. Beispielsweise können nicht versiegelte Grünräume als Wasserspeicher dienen, Schutz vor Überschwemmungen bieten, die Temperatur regulieren und zur Verringerung der Luftverschmutzung beitragen.

Lebensraum für Pflanzen und Tiere

Neben diesen Funktionen, die sich primär auf die Lebensqualität der Menschen beziehen, sind Grünflächen in Städten wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Die vielfältigen Erwartungen an das Stadtgrün greifen teilweise ineinander und lassen sich mit gleichen Maßnahmen erreichen. So bieten Stadtgrün und urbane Wildnis gleichzeitig wertvollen Naturerfahrungs- und -erlebnisraum für Kinder und Jugendliche. Der innerstädtische Grünraum kann Bildungsort sein, in dem Naturerfahrung als Ausgangspunkt für die Förderung eines Bewusstseins für Naturschutz dient.

In nutzbaren Grünflächen liegen außerdem große Potenziale für soziale Teilhabe, Integration und Inklusion, für die barrierefreie Begegnung von Alt und Jung, für ein gesellschaftliches Miteinander ohne Konsumzwang. Festzuhalten ist auch, dass Menschen, die keinen eigenen Garten zur Verfügung haben, (insbesondere im Sommer) hohe Erwartungen an den öffentlichen Raum stellen. Teile des Freizeitlebens verlagern sich auf Plätze sowie Parks und Gemeinschaftsgärten. Der so steigende Nutzungsdruck auf das öffentliche Grün führt zu mehr und aufwendigeren Aufgaben für Kommunen – die gleichzeitig mit schwindenden Budgets und Stellenplänen im Grünbereich kämpfen.

Eine weitere Folge der erweiterten Sicht auf die grüne Infrastruktur der Städte und Gemeinden ist, dass die nichtbebauten und versiegelten Flächen mehr und mehr als Gesamtsystem verstanden werden. Dies bezieht sich ganz konkret auf nahezu alle oben genannten Funktionen von Grünflächen, zum Beispiel das Ziel, fußläufig erreichbare Grünflächen für alle Bewohner sicherzustellen, die Vernetzung von Biotopen und das Management von Regenwasser zu optimieren.

Kanalisation entlasten

So führt die Notwendigkeit, Städte in Zeiten des Klimawandels resilient (wiederstandsfähig) zu machen, unter anderem dazu, dass beim Thema Wassermanagement sowohl längere Trockenzeiten als auch häufigere Starkregenereignisse bedacht werden müssen. Jeder Quadratmeter zählt, wenn es darum geht, die Kanalisation zu entlasten. Versickerungsfähige Bodenbeläge, temporäre Wasserspeicher in Form von Dachbegrünung, vor allem aber sämtliche bepflanzten Flächen mit offenem Boden sind dabei wesentliche Bausteine eines integrierten Starkregenkonzepts. Je weniger rote Infrastruktur (Bebauung und Straßenräume) und je mehr grüne Infrastruktur (mit offenem Boden), umso besser ist das Stadtklima mit den Parametern Lufttemperatur, -feuchte und -qualität.

Mit diesen Argumenten arbeitet auch die vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) im Frühjahr 2017 ins Leben gerufene Initiative „Rettet den Vorgarten!“. Ziel ist es, das Bewusstsein für den individuellen, aber auch nachbarschaftlichen Wert bepflanzter, abwechslungsreicher Vorgärten zu wecken. Die sich seit einigen Jahren ausbreitende Verschotterung der Vorgärten, insbesondere in Neubaugebieten, soll mit guten Argumenten gestoppt werden. Wenngleich der einzelne Vorgarten meist nur eine kleine Fläche hat, so ist die Summe dieser kleinen Flächen in einer Stadt dann doch wieder eine große Fläche – und sie liegt immer direkt im Lebensbereich der Bürger.

So erklärt sich, dass in zunehmend mehr Kommunen die Gestaltung von Vorgärten diskutiert wird. Städte legen Vorgartenwettbewerbe auf, zeigen auf ihren Websites gute Beispiele und geben konkrete Tipps zur Vorgartengestaltung, Umweltverbände geben Broschüren heraus, im Internet, insbesondere in sozialen Medien gibt es eine intensive Debatte zum Thema. Auf der Website www.rettet-den-vorgarten.de finden sich auch spezielle Informationen für Kommunen.

Peter Menke

Der Autor
Peter Menke, Düsseldorf, ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Die Grüne Stadt