Rotstift kratzt am Brandschutz

Bei der Instandhaltung von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen wird in der Gebäudewirtschaft gerne gespart. Die Folgen von defekten Rauchabzügen können jedoch gravierend sein: Menschenleben sind in Gefahr, wenn Evakuierungs- und Löscharbeiten durch fehlende Brandschutzkonzepte behindert werden.

Auch in (kommunalen) Wohnungsunternehmen regiert der Rotstift. Nicht selten steht ein Kostenschnitt nach der Rasenmähermethode auf der Agenda – mit Folgen für die Sicherheit, zum Beispiel den Brandschutz. Experten beklagen, dass Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) nur mangelhaft instand gehalten werden.

Dies geschieht durch Streckung von Wartungsintervallen und durch die Beauftragung von Billiganbietern, die nur einen Bruchteil der erforderlichen Leistungen erbringen. Am Ende übersteigen Folgeschäden die erzielten Einsparungen um ein Vielfaches. Da die Betreiber die Funktionsfähigkeit der Brandschutzanlagen sicherstellen müssen, machen sie sich womöglich haft- und strafbar; sie können mit hohen Bußgeldern belangt werden und ihren Versicherungsschutz verlieren.

Wartungsmängel sind die häufigsten Ursachen für ein Versagen der Brandschutztechnik. Die Herstellerrichtlinien schreiben regelmäßige Überprüfungen vor. „Bereits beim monatlichen Funktionstest schleichen sich Nachlässigkeiten ein. Die Intervalle werden oft nicht eingehalten“, so Dr. Urban Brauer, Geschäftsführer des Bundesverbands Sicherheitstechnik (BHE). Ein Knopfdruck würde ausreichen, doch viele Hausmeister oder die beauftragten Facility-Dienstleister hätten das Thema nicht auf dem Schirm. Der eigentliche Knackpunkt für den Sicherheitsexperten seien jedoch die jährlichen Inspektionen. „Da müssen die einzelnen Komponenten der Rauch- und Wärmeabzugsanlagen sowie deren störungsfreies Zusammenwirken kontrolliert werden“, erklärt Brauer.

Qualifizierte Fachbetriebe

Regelmäßige Inspektionen sind unerlässlich, um im Einzelfall potenzielle Defizite beziehungsweise Schäden zu untersuchen: Schmutz, Feuchtigkeit oder Spannungen im Baukörper, in zunehmendem Maße aber auch Vandalismus, können Elektronikteile oder Leitungen beschädigt haben; womöglich haben die Gaspatronen der Hydraulik ihr Verfallsdatum schon überschritten. Brauer: „Diese Checks erfolgen oft jahrelang nicht.“ Stattdessen beschränke man sich auf einen einfachen Funktionstest wie er eigentlich alle vier Wochen erfolgen sollte, moniert der Sicherheitsexperte. Auch eine „Durchsicht“ wie sie etwa von Feuerlöscher-Services als preisgünstige Zusatzleistung angeboten wird, reicht in der Regel nicht aus. Die Herstellerrichtlinien und nicht zuletzt die Sachversicherer verlangen ausdrücklich eine Überprüfung und Wartung durch qualifizierte Fachbetriebe.

Laut den Landesbauordnungen sind die Anlagen nach dem Stand der Technik so instand zu halten, dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. In Verbindung mit den strikten Herstellervorgaben und weiteren technische Normen wird daraus ein scharfes Schwert.

Die Behörden haben die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen. Zwar werden Wohngebäude aus Kapazitätsgründen nicht so stark überprüft wie Gewerbebetriebe. Doch jedes spektakuläre Unglück führt automatisch zu schärferen Kontrollen. „Ohnehin wird man in nächster Zeit der Einhaltung der Rauchmelderpflicht nachgehen und dabei auch ein Auge auf alles andere werfen“, so Jürgen Siewert, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und Mitglied des Aufsichtsrates der Gruppe TÜV Nord.

Der „Worst Case“ tritt ein, wenn Menschenleben in Gefahr geraten und die Evakuierungs- beziehungsweise Löscharbeiten behindert wird. Siewert: „In diesem Fall kommt es in aller Regel zu strafrechtlichen Ermittlungen.“

Verlust der Versicherungsleistung droht

Auch die Versicherer nehmen erst einmal den Gebäudebesitzer ins Visier, wenn etwas passiert. „Die behördlichen und gesetzlichen Bestimmungen müssen eingehalten werden. Dieses schließt eine ordentliche Pflege der Anlagen ein, um den gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten“, so Gregor Kleinen, Leiter Produktmanagement Sach- und Industrieversicherung bei Gothaer Versicherungen. Im Schadensfall komme es je nach Grad des Verschuldens zu einer Minderung der Versicherungsleistung. Kleinen: „Diese Quotelung kann bis zur vollständigen Leistungsfreiheit führen.“ Die Gründe für eine verschlampte Wartung sind dabei nicht von Bedeutung. „Nach unseren Erkenntnissen ist bei Mängeln meistens die Unkenntnis der Vorschriftenlage und der eigenen Verpflichtungen die Ursache“, so Jürgen Weiß, Referent für die Facharbeit beim Landesfeuerwehr-Verband Bayern.

Eine Entschuldigung ist dies aus Sicht von Urban Brauer allerdings nicht. „Die Fachbetriebe, die eine solche Anlage installieren, weisen ihre Kunden auf die Wartungspflicht ausdrücklich hin, schon um sich rechtlich abzusichern“, so Brauer.

Aus Sicht des Internationalen Instituts für Facility Management kommen auch überzogene Sparmaßnahmen zum Tragen. Dies sei vor allem bei den sogenannten Corporates der Fall, die „auf der Fläche ihr Geld verdienen“. Institutsleiter Holger Knuf: „Zunehmend wird an den Kosten des Gebäudebetriebs gespart, an die man herankommt.“ Etwa Reinigungs- oder Grünflächendienste oder die Instandsetzung. Die Budgets würden annähernd jährlich schrittweise eingekürzt.

Teuer kann es auch werden, ohne dass ein Brand ausbricht. Bei einem Wohngebäude im thüringischen Sömmerda öffneten sich im August 2014 durch einen technischen Defekt ausgerechnet bei einem starken Regen alle Rauchabzüge. Das Treppenhaus wurde unter Wasser gesetzt.Red.

Info: Checkliste des BHE für Hausbesitzer und Verwalter zur Kontrolle von Rauchabzugsanlagen mit elektrischen Auslösesystemen („NRA-EA“)

Einmal monatlich: Funktionstest durch den Betreiber (Hausbesitzer/Verwalter)

Einmal jährlich: Überprüfung und Wartung durch qualifizierten Fachbetrieb

  • Funktion aller Anlagenteile laut Dokumentation

  • Anzeige- und Bedieneinrichtungen in und außerhalb der Zentrale

  • Automatische Rauch- und Wärmemelder

  • Signalgeber

  • Rauchabzugsöffnung und Antriebe

  • Energieversorgung

  • Ansteuereinrichtungen (z. B. Ansteuerung durch die Brandmeldeanlage)

  • Bauliche/örtliche Veränderungen, insbesondere an der Rauchabzugsöffnung

  • Anlagenteile mit begrenzter Lebensdauer (ggf. Auswechslung)

Beim Austausch von Verbrauchs- oder Ersatzteilen muss Systemkompatibilität gewährleistet sein. Es dürfen nur Verbrauchs- oder Ersatzteile mit entsprechender Anerkennung oder Originalteile verwendet werden. Basis-Normen und Verordnungen: Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (ABP) nach DIN 18232-3); Europäische Einzelnorm EN 12101-2 für Rauch- und Wärmeabzugsgeräte, die Bauproduktenverordnung und die Landesbauordnungen.

Ein qualifizierter Dienstleister arbeitet nach der „Maschinenrichtlinie 2006/42/EG“. Basis ist das Produktsicherheitsgesetz. Es dürfen Geräte nur dann in Betrieb genommen werden, wenn sie ordnungsgemäß installiert und gewartet wurden. Umfängliche Installationen oder Umrüstungen lassen zum Beispiel aus einer älteren eine „neue“ Anlage entstehen. In diesem Fall muss der Fachbetrieb Sicherheitstechnik nach aktuellem Standard berücksichtigen und eine entsprechende Konformitätserklärung ausstellen.