Öffentliche Beschaffung mit Brief und Siegel

Was ist nachhaltig? Welches Produkt ist wirklich umweltfreundlich? Siegel und Zertifikate von marktunabhängigen Institutionen bieten Antworten auf diese Fragen. Fachlich geprüfte Nachweise machen das Angebot für die kommunale Beschaffung transparent und erleichtern Ausschreibung und Vergabe.

Das Berücksichtigen von „Nachhaltigkeitsaspekten“ ist fester Bestandteil der kommunalen Beschaffung. Welches Produkt unter welchen Bedingungen hergestellt wurde und welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat, verraten bestimmte Siegel. Für Anbieter und Kommunen gilt, dass die Verlässlichkeit der einzelnen Siegel beiden Seiten Handlungssicherheit verleiht. Genau dort liegt auch der enorme Vorzug für die kommunale Beschaffung: Das Siegel legt den Pfad frei, auf dem die Entscheider zügig vorwärtskommen. Eine hohe Transparenz minimiert neuerliche Abwägungsprozesse.

Einen tatsächlichen Vorteil verschafft das nachprüfbare Siegel nicht, es gilt das Konkurrenzgebot. Anbieter ohne Siegel müssen allerdings für jeden Bewerbungsprozess die Einhaltung der Ausschreibungsstandards jedoch mitunter umständlich nachweisen.

Für die Vergabe von Umweltsiegeln ist in der Bundesrepublik unter anderem der Dienstleister RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung zuständig. In seinem Auftrag erfolgt die Vergabe von Siegeln wie Blauer Engel und EU-Ecolabel sowie einer Reihe eigener Siegel mit dem Schwerpunkt der öffentlichen Auftragsvergabe. Siegelführende Unternehmen profitieren von der regelmäßigen Überprüfung durch die RAL. Die auf diesem Weg attestierte „Bietereignung“ hat Bestand, auch für Folgeaufträge.

Die RAL fungiert auch als Berater im Vorfeld von Ausschreibungsverfahren mit Nachhaltigkeitsaspekt. Einen Überblick für die kommunale Beschaffung bietet die Broschüre zur „Öffentlichen Auftragsvergabe und RAL Gütesicherung“.

Daneben existieren diverse private Anbieter, deren Vergabepraktiken allerdings nicht immer detailliert genug sind oder vordergründig kommerziellen Aspekten dienen.

Im Folgenden werden drei bekannte Label vorgestellt.

RAL-Gütezeichen

Das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung initiiert und überwacht die Vergabe diverser Siegel. Insgesamt existieren gegenwärtig etwa 160 RAL-Gütezeichen. Viele davon betreffen relevante Bereiche des kommunalen Umweltschutzes wie Gewässerschutz, Stadtreinigung oder Abfallentsorgung. Die dort festgelegten Standards sorgen für Planungssicherheit bei den Behörden.

Beispiel Grünanlage: Der Stadtpark soll herausgeputzt werden. Beim nachhaltigen Einkauf von Blumenerde, Mulch oder Humus kann die Verwaltung zur Orientierung auf die Qualitätskontrolle durch die RAL-Gütegemeinschaft „Substrate für Pflanzen“ zurückgreifen. Durch das entsprechende Siegel garantiert der Anbieter, dass ein Produkt weder Unkraut noch gesundheitsschädliche Substanzen erhält. Zudem finden sich darin Nährstoffe, die einen Mindestanteil am Gesamtvolumen erfüllen müssen.

Der Siegelnachweis gilt auch für die Zulieferung: Ein Anbieter mit entsprechendem Siegel verbürgt sich dafür, dass die Herkunft sämtlicher Ausgangsmaterialien wie Holz oder Torf im Rahmen strenger Nachhaltigkeitsvorgaben nachgewiesen werden kann.

Blauer Engel

Der Blaue Engel ist das mit Abstand bekannteste Siegel in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Es wird seit mehr als 40 Jahren vergeben. Die Entscheidungen über die Verleihung und Vergabe des Siegels erfolgen im Zusammenspiel von vier Institutionen. Im breit besetzten Beschlussgremium Jury Umweltzeichen sind Umwelt- und Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Industrie, Handel, Handwerk, Kommunen, Wissenschaft, Medien, Kirchen, Jugend und Bundesländer vertreten. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ist Zeicheninhaber und informiert die Fachwelt und Öffentlichkeit über die Entscheidungen der Jury Umweltzeichen. Das Umweltbundesamt entwickelt als Geschäftsstelle der Jury Umweltzeichen die fachlichen Kriterien der Vergabekriterien des Blauen Engels. Die RAL gGmbH schließlich vergibt das Siegel.

In ihrer „Produktwelt“ listet die Website des Blauen Engels alle getesteten Anbieter auf, die auch für die öffentliche Beschaffung von Bedeutung sind. Das Spektrum reicht von Energiespar-Garantieverträgen (Contracting) und Schädlingsbekämpfiung über Kommunalfahrzeuge bis zu Mehrwegbechersystemen und abstumpfenden Streumitteln. Für die nötige Transparenz sorgt das Dokument „Vergabekriterien“. Oftmals nutzt der positiv geprüfte Anbieter den Eintrag seines Produkts, um eine Weiterleitung zum Onlineshop anzubieten und Kontaktdaten für weitere Informationen zu hinterlegen.

PEFC

Bei der Gewinnung und Weiterverarbeitung von Holz spielt das Siegel PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) eine international wichtige Rolle. Auch kommunale Stellen in Deutschland begegnen ihm immer wieder. Allerdings erfolgen die Kontrollen, etwa bei der Umweltverträglichkeit der Waldbewirtschaftung in entlegenen Regionen der Welt, lediglich sporadisch. Grundlage zur Vergabe des PEFC-Siegels ist die Selbstauskunft der Anbieter.

Bedenklich ist zudem der Umgang mit dem Thema Papier. Zwar vergibt die Organisation ihre Auszeichnung nach Berücksichtigung dreier nachvollziehbarer Kategorien – Benennung der Region der Herstellung, mindestens 70 Prozent Prozent Recyclinganteil, gesundheitlich unbedenkliche Rahmenbedingungen –, beschränkt sich dabei aber ausschließlich auf Papier aus Frischfasern. Die höchste Umweltverträglichkeit erzielt jedoch das klassisch ungebleichte Recyclingpapier.

Till Röcke

Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist