Öffentliche Angebote stehen im Zentrum der Mobilität

Ein Merkmal der Smart City sollte die intelligente Vernetzung verschiedener öffentlicher Mobilitätsformen sein – mit Bussen und Bahnen als Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur. Das Ziel der Politik muss sein, den Anteil des Umweltverbundes aus Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV weiter zu erhöhen.

Die Stadt der Zukunft soll nachhaltig, effizient vernetzt und innovativ sein. Für die Städteplanung ist das eine große Herausforderung, urbane Lösungen für die Daueraufgaben wie Umweltschutz und demografischer Wandel in den Städten zu finden. Schon jetzt ist die Lebensqualität der Bürger dort zum Beispiel durch eine hohe Stickoxid- und Feinstaubbelastung eingeschränkt. Ziel muss es sein, energieeffiziente, platzsparende und ökologische wie ökonomisch sinnvolle Mobilitätslösungen anzubieten. Diese Lösungen müssen zudem von der Bevölkerung gerne angenommen werden, das macht sie smart. Die Lebensqualität einer Smart City ist daher unmittelbar abhängig vom guten Angebot eines Hochleistungs-ÖPNV.

Damit der notwendige Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) realisiert werden kann, braucht es zusätzliche Investitionen des Bundes und der Länder. Vor allem die kommunalen Verkehrswege, auf denen allein im öffentlichen Verkehr 80 Prozent der Fahrten bundesweit stattfinden, sind weiterhin unterfinanziert. Eine aktuelle Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat ergeben, dass der Modernisierungs- und Ausbaubedarf im kommunalen ÖPNV aktuell bei rund 15 Milliarden Euro liegt. Der VDV und die Branche hat daher ein Sonderprogramm gefordert, das sich am tatsächlichen Bedarf und an klaren verkehrspolitischen Zielen orientiert. Es ist zu hoffen, dass die neue Bundesregierung die Notwendigkeiten für mehr Investitionen in städtischen Nahverkehr erkennt und deshalb bereit ist, mehr in den klima- und umweltfreundlichen ÖPNV der Kommunen zu investieren.

Marktanteil von Bussen und Bahnen steigern

Wenn wir die Klimaschutzziele und die innerstädtischen Schadstoffminderungen im Verkehrssektor meistern wollen, dann ist das nur durch eine deutliche Erhöhung des Modal Split zugunsten des öffentlichen Verkehrs zu erreichen. Busse und Bahnen haben in den deutschen Großstädten bereits heute einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent erreicht. Laut einer Umfrage des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) nutzen schon jetzt 22 Prozent der Großstädter nie ein eigenes Auto. Nur sieben Prozent der Befragten gaben an, nicht mit Bussen und Bahnen des ÖPNV zu fahren. Und jeder Vierte der Großstädter kombiniert regelmäßig Verkehrsmittel auf einem Weg.

Ein gutes Ergebnis aus Sicht der Branche und mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz. Aber ein Blick über den Tellerrand zeigt: Es geht auch mehr. Kopenhagen oder Wien sind schon heute bezüglich effizienter und ökologischer Mobilität smart unterwegs – hier liegt der ÖPNV-Marktanteil bei bis zu 40 Prozent, weil die Rahmenbedingungen für Wachstum im öffentlichen Verkehr dies zulassen. Der Anteil des sogenannten Umweltverbundes aus Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen muss auch in Deutschland weiter steigen.

Ein wesentliches Merkmal der Smart City sollte auch die intelligente Vernetzung verschiedener öffentlicher Mobilitätsformen sein – flexibel angepasst an die Bedürfnisse der Kunden. Dabei spielen die Kommunikationsinfrastruktur, ausgereifte Online-Angebote und Sharing-Dienste, aber auch intelligente Mobilitätslösungen eine zunehmend wichtige Rolle. In Hamburg, Berlin oder Duisburg werden bereits jetzt neue On-Demand-Shuttle-Services getestet, die man in Kombination mit dem ÖPNV nutzen kann. Diese Konzepte sind eine erste Antwort auf das weiter steigende Bedürfnis der Kunden in einer Großstadt, auch außerhalb des verdichteten ÖPNV-Angebots schnell, einfach und umweltbewusst unterwegs zu sein.

Das Ganze kann allerdings dauerhaft nur funktionieren, wenn der Öffentliche Personennahverkehr mit Bussen und Bahnen das Rückgrat der vernetzten Mobilität vor Ort bleibt, denn die begrenzten Verkehrsflächen einer Stadt brauchen Fahrzeuge, die möglichst viele Menschen zur gleichen Zeit schnell befördern können. Eine Straßenbahn kann 200 Fahrgäste und mehr auf einmal befördern, mit einer U-Bahn-Linie können pro Stunde und Richtung 35 bis 40 000 Fahrgäste fahren. Und selbst ein Bus kann, je nach Größe, schon mal bis zu 120 Personen aufnehmen.

Ruf nach bundesweiter Mobilitätsplattform

Doch der Zugang zu Bussen und Bahnen muss in Zukunft einfacher werden, auch für sogenannte Gelegenheitskunden. Der Aufbau einer bundesweiten Mobilitätsplattform, über die der Kunde für die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel nur ein Ticket buchen muss, ist deshalb ein erklärtes Ziel der öffentlichen Verkehrsunternehmen in Deutschland. Die Digitalisierung schafft neue Chancen – nicht nur in der Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel, sondern auch in der Entwicklung neuer Mobilitätsformen.

Auch das autonome Fahren im ÖPNV kann die Verkehrssysteme in der Zukunft verändern, wenn dieser Trend auch innerstädtisch eher in ferner als in naher Zukunft liegt. Der ADAC hat in seiner aktuellen Studie „Die Evolution der Mobilität“ festgestellt, dass „smart mobility“ die Mobilität der Zukunft ist, in der es „das Auto vielerorts schwer haben wird und sich im Jahr 2040 nur noch dann behaupten kann, wenn es mit ihm gelingt, individuelle Fortbewegung und öffentlichen Verkehr zu verknüpfen“. Ziel muss es sein, dieses Zukunftsbild bereits jetzt verkehrlich und organisatorisch durch die Modernisierung und den Ausbau des ÖPNV bestmöglich zu gestalten.

Jürgen Fenske

Der Autor
Jürgen Fenske ist Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrs-Betriebe