Nachhaltige kommunale Beschaffung rechtssicher gestalten

Öffentliche Auftraggeber haben es selbst in der Hand, wie sie soziale und ökologische Aspekte im Beschaffungsprozess verankern. Das Vergaberecht hält hierfür eine Reihe von Werkzeugen bereit wie Leistungsbeschreibung, Eignungs- und Zuschlagskriterien oder auch die Orientierung an verlässlichen Siegeln.

Das Thema Nachhaltigkeit galt in der Vergangenheit immer wieder als vergabefremd und damit zumindest als untauglich, um im Rahmen eines Vergabeverfahrens berücksichtigt zu werden. Diese Auffassung ist spätestens seit der Reform des Vergaberechts überholt: Paragraf 97 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer (sprich nachhaltiger) Kriterien im Rahmen eines Beschaffungsvorhabens.

Während also die Frage nach dem „Ob“ schnell beantwortet werden kann, ist es ungleich schwieriger zu klären, „wie“ sich Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen lassen können. Auf der Hand liegt dabei die Verankerung in der Leistungsbeschreibung. Hierin beschreibt der öffentliche Auftraggeber, was er beschaffen will und welche Mindestanforderungen er an den Leistungsgegenstand stellt. So kann er zum Beispiel bei der Beschaffung von Textilien wie Feuerwehrbekleidung festlegen, dass diese nicht unter Verstoß gegen die Standards der ILO-Kernarbeitsnormen (ILO: Internationale Arbeitsorganisation), also insbesondere nicht unter Einsatz von Kinderarbeit produziert worden sein dürfen. Ebenso denkbar ist es, beispielsweise für ein Elektrogerät eine Höchstgrenze für den Energieverbrauch festzulegen. Hierbei kann der Auftraggeber gemäß der Vergabeverordnung und Unterschwellenvergabeordnung auch auf Gütezeichen zurückgreifen (§ 34 VgV und § 24 UVgO).

Daneben werden noch Eignungs- und Zuschlagskriterien festgelegt. Erstere dienen dazu, bestimmte Mindestanforderungen an die Bieter festzulegen. Hierzu gehören beispielsweise Referenzen, Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen. Mit den Zuschlagskriterien wird bestimmt, welches Angebot in den Augen des öffentlichen Auftraggebers als das wirtschaftlichste anzusehen ist und daher den Zuschlag erhalten soll.

Höhere Wertung für Nachhaltigkeit

Neben dem Preis sind zulässige Zuschlagskriterien zum Beispiel Qualität und Ästhetik eines bestimmten Angebotes, aber auch dessen Nachhaltigkeit. So kann der öffentliche Auftraggeber auch hier festlegen, dass ein Produkt, das nachhaltiger als ein anderes ist, eine höhere Wertung erhält und damit den Zuschlag erhalten kann, obwohl es möglicherweise teurer ist.

Zuletzt gibt es noch besondere Ausführungsbedingungen, die Vorgaben enthalten, wie ein Auftrag auszuführen ist. Beispielsweise kann dies für Pflasterarbeiten auf einem öffentlichen Platz bedeuten, dass der Auftragnehmer verpflichtet wird, den Auftrag nur mit Waren (sprich: Steinen) auszuführen, die nicht unter Verstoß gegen die ILO-Normen hergestellt wurden.

Um zu entscheiden, welche der vorgenannten Möglichkeiten soziale und ökologische Nachhaltigkeitsaspekte am besten in das Verfahren integrieren, bedarf es zunächst einer ordentlichen Bedarfsermittlung. Darauf folgt die Marktrecherche. Dabei wird die grundsätzliche Verfügbarkeit geprüft sowie erstmals auch, ob nachhaltige Produkte am Markt verfügbar sind. Hilfreiches Werkzeug bei dieser Recherche ist zum Beispiel der „Kompass Nachhaltigkeit“ (www.kompass-nachhaltigkeit.de) des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Er listet Produkte, Händler, Vertriebswege und belastbare Siegel (Gütezeichen) auf. Fällt die Marktrecherche erfolgreich aus, ist es nun am öffentlichen Auftraggeber zu entscheiden, wie er die Nachhaltigkeitsanforderungen im Detail festlegt.

Hierzu bieten sich insbesondere die Leistungsbeschreibung und die Zuschlagskriterien an, da die Eignungsanforderungen stets unternehmensbezogen sind und es daher schwer ist, einen Bezug zu einer nachhaltig produzierten Ware herzustellen. Die Nachhaltigkeitsaspekte in der Leistungsbeschreibung stellen Mindestanforderungen dar, von welchen die Bieter in ihrem Angebot nicht abweichen dürfen. Anderenfalls wird das Angebot ausgeschlossen.

Auftraggeber können auf Gütezeichen Bezug nehmen

Die Schwierigkeit bei der Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten liegt darin, die Leistungsbeschreibung entsprechend den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung zu formulieren. Hierzu bietet sich die Verwendung von Gütezeichen an. Durch die Vergaberechtsreform des Jahres 2016 haben sich hier einige wesentliche Erleichterungen für öffentliche Auftraggeber ergeben: Diese können nunmehr auf ein Gütezeichen Bezug nehmen, um die geforderten Standards zu beschreiben (deskriptive Verwendung). Darüber hinaus können sie Gütezeichen als Nachweis zulassen (evidente Verwendung). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Verwendung finden sich in Paragaraf 34 VgV und in Paragraf 24 UVgO für den Unterschwellenbereich sowie in Paragraf 7a EU Abs. 6 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) und Paragraf 7 Abs. 6 VOB/A im Unterschwellenbereich.

Wenn der öffentliche Auftraggeber die Nachhaltigkeitsaspekte als Zuschlagskriterium verwendet, ist es erforderlich, dass die Erfüllung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Zuschlagskriterien in Relation zum Anschaffungspreis gesetzt wird. Hierfür existieren verschiedene Methoden, beispielsweise die Interpolationsformel oder die sogenannte UfaB-Formel (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen).

Allen verwendeten Berechnungsmethoden ist gemein, dass die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitskriterien nicht zu einem Angebotsausschluss, sondern zu einer schlechteren Bewertung führt. Auf diese Weise kann der Sorge vor einer möglichen Kostenexplosion entgegengewirkt werden, da der Zuschlag nur dann auf ein Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigendes Angebot erteilt wird, wenn dieses auch preislich attraktiv ist.

André Siedenberg

Der Autor
André Siedenberg ist auf vergaberechtliche Fragen spezialisierter Rechtsanwalt in Düsseldorf