Licht vermittelt mehr als nur Sicherheit

Licht in der Stadt dient künftig nicht nur der Beleuchtung des abendlichen Raum, sondern verstärkt auch als Gestaltungsmittel. Dabei ist der Ausgleich zu finden zwischen den Erwartungen der Menschen an „Lichterlebnisse“ und den Anforderungen anderer Spezies, die auf die Nachtdunkelheit angewiesen sind.

Ein ausschließlich an der Erreichung von hohen Beleuchtungsstärken bzw. Leuchtdichten orientierter Umgang mit Licht gefährdet die Umwelt, Tiere, Pflanzen und Ökosysteme, die Gesundheit des Menschen und verbaut damit die Zukunft.“ Diese These findet sich unter der Überschrift „Licht, Schatten und Dunkelheit“ im „Hamburger Aufruf“, der auf der ZK 19, der „Zukunftskonferenz Licht“ im Mai 2019 erarbeitet wurde. Mit ihm soll eine Diskussion über Licht und Beleuchtung angestoßen werden, die alte Wahrheiten in Frage stellt.

Während die ZK 19 der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft (LiTG) sich mit der Rolle der Beleuchtung in der Zukunft beschäftigt hat, fanden zuvor an der Hochschule Wismar der „Lichtcampus“ mit dem Thema „Innovation durch Licht“ und der Kongress „Dynamisches Licht im öffentlichen Raum, Dynamic Light“ statt. Alle drei Veranstaltungen haben gezeigt, dass nicht nur die Technologie der Lichterzeugung durch die LED revolutioniert wurde, sondern auch die Möglichkeiten der Gestaltung mit Licht erweitert worden sind. Denn mit LED-Systemen können neben dem Lichtstrom auch die Lichtstärkeverteilung und die Lichtfarbe sowie die Farbwiedergabequalität in einer Leuchte verändert werden. Daher lässt sich die erforderliche Lichtqualität entsprechend den jeweiligen Erfordernissen einstellen. Dadurch werden die Anforderungen an die Qualität der Beleuchtung komplexer.

Auch auf der Konferenz „Dynamic Light“ stand die ständige Verfügbarkeit von Licht zur Diskussion. So forderte Professor Dr. Dietrich Henkel von der TU Berlin, dass es neben dem „Recht auf Beleuchtung“ und Sicherheit auch ein „Recht auf Dunkelheit“ geben müsse. Die künftige Beleuchtung der Städte und Gemeinden soll differenzierter sein als bisher und so die gestiegenen Erwartungen der Menschen erfüllen, ohne die Anforderungen anderer Spezies zu vernachlässigen.

Gestaltungsmittel für den abendlichen Raum

Wie sehen die komplexeren Anforderungen aus? Sowohl in Hamburg als auch in Wismar wurde deutlich, dass Licht in Zukunft nicht nur der Beleuchtung dienen soll, sondern verstärkt auch als Gestaltungsmittel für den abendlichen Raum eingesetzt werden wird. Dazu ist es notwendig, dass Lichtplanungen im Kontext und Konsens mit städtebaulichen Planungen und landschaftsplanerischen Überlegungen stehen. „Licht wird auch künftig stark von individuellen Ansprüchen geprägt sein. Dem stehen Standards und Richtlinien zu Licht und Beleuchtung nicht unbedingt entgegen“, sagt Henkel. Dies zeigt sich auch in der durch das Projekt „Dynamic Light“ begleiteten Überarbeitung der DIN EN 13201-1:2019. Die Norm bietet nun mehr Flexibilität in der Wahl der Beleuchtungsklassen als bisher.

Wenn die unterschiedlichen städtebaulichen und nutzungsspezifischen Anforderungen angemessen berücksichtigt werden, wird der abendliche Raum durch die Beleuchtung unverwechselbar und identitätsstiftend werden können. Oft wird vergessen, dass es der Lichtplaner in der Hand hat, was wie am Abend sichtbar wird, also mit welchen Elementen der abendliche Raum gestaltet wird.

Für die Schaffung von wiedererkennbaren Räumen und Stadtansichten wurden in Wismar Beispiele in verschiedenen Ländern Europas gezeigt. Daneben spielte die kommunikative Funktion von Licht eine große Rolle. Das heißt, dass Licht, weil situationsbezogen geplant, auch hilft, den abendlichen Stadtraum zu verstehen und entsprechend zu nutzen.

Ein Fußgängerbereich in der Innenstadt kann dazu als Beispiel dienen. Die Beleuchtung dort könnte aus mehreren Komponenten bestehen – einer Grundbeleuchtung für den zentralen, notwendigen Laufbereich, einer Beleuchtung, die auch die Randbereiche einbezieht und unterscheidbare, durch Licht atmosphärisch geprägte abendliche Stadträume schafft, sowie einer Fassadenanleuchtung, die für die vertikalen Leuchtdichten sorgt, die für eine gute Erlebbarkeit des Raumes notwendig sind.

Während die erstere, eher funktionale Beleuchtung weniger auf den Ort bezogen sein kann, basieren die beiden letzteren auf einer präzisen städtebaulichen Analyse und auf einer Interpretation der Tagessituation durch den Planer. Dieser hat dabei genau zu analysieren, wie der abendliche städtische Raum (meist multifunktional) genutzt wird, und in Absprache mit den Betroffenen zu klären, wie der Raum in Zukunft genutzt werden soll.

Durch eine intelligente Beleuchtung kann die Attraktivität eines städtischen Bereiches enorm gesteigert werden, Aufenthaltsbereiche können definiert und mit einer besonderen Atmosphäre versehen werden. Die Weihnachtsbeleuchtung zeigt beispielhaft, wie die besondere Stimmung der Vorweihnachtszeit durch Licht unterstützt werden kann. Es können Schwerpunkte definiert, ein bestimmtes (Einkaufs-) Verhalten gefördert oder der Rahmen für kleine Feiern mit Kollegen auf dem Weihnachtsmarkt geschaffen werden. Man könnte mit einer besonderen Beleuchtung andere Anlässe finden, die die Attraktivität eines Ortes fördern. Dies ließe sich mit einem Tourismuskonzept oder mit anderen Marketingkonzepten abstimmen und in die Beleuchtungsaufgabe integrieren.

Energieeffizienz und Beleuchtungsqualität verbessern

An der Hochschule Wismar wurde in den letzten drei Jahren im Bereich Lichtdesign, den es dort bereits seit zwei Jahrzehnten gibt, an dem Projekt „Dynamic Light“ gearbeitet. Dieses beschäftigte sich mit der Verbesserung der Energieeffizienz und der Beleuchtungsqualität, die dadurch erreicht werden soll, dass Licht zukünftig adaptiv und proaktiv zum gewünschten Zeitpunkt für die gewünschte Dauer und für eine bestimmte Zielgruppe zur Verfügung gestellt wird. 17 Partner aus sieben Ländern Zentraleuropas kooperierten in dem Projekt zur Untersuchung und Auswertung typischer Lichtsituationen in den beteiligten europäischen Kommunen.

Eine adaptive Beleuchtung passt sich an sich ändernde Nutzungssituationen an. Die jeweilige Situation wird durch Sensoren erfasst und die Beleuchtung entsprechend verändert. Eine proaktive Beleuchtung entspricht der erwarteten oder gewünschten Nutzungssituation. Dadurch wird es möglich, die erforderliche Beleuchtungsqualität anzubieten, noch bevor eine bestimmte Situation bereits eingetreten ist.

„Dynamic Light“ verbindet die adaptive und die proaktive Beleuchtungssteuerung mit einer qualitätvollen Beleuchtung, die neben den physiologischen auch die psychologischen und sozialen Bedürfnisse des Menschen, wie beispielsweise das Sicherheitsgefühl und den Wunsch zu kommunizieren, berücksichtigt.

Um dies planerisch zu ermöglichen, wurden in dem Projekt Tools entwickelt, die den Entwurfsprozess begleiten. Ein Monitoring-Tool ermöglicht die systematische Erfassung der verschiedenen Einflussfaktoren, eine Anleitung wiederum hilft zu klären, wie sich aus den gewonnenen Informationen die Anforderungen an die Beleuchtung entwickeln lassen und mit welchen technischen Systemen Lösungen für die jeweilige Aufgabe gefunden werden können.

Auf städtebaulicher Ebene wurde im Rahmen des Projekts „Dynamic Light“ die Entwicklung von Masterplänen, insbesondere unter Einbeziehung der durch die Digitalisierung in unterschiedlichen Quellen zur Verfügung stehenden Daten und deren Vernetzung, beschrieben und darüber hinaus aufgezeigt, wie sich daraus Umsetzungsstrategien entwickeln lassen. Durch die im Projekt entwickelten Strategien kann eine nachhaltige Beleuchtung realisiert werden, die ökologisch, ökonomisch und sozial ist.

Thomas Römhild

Der Autor
Prof. Dr.-Ing. Thomas Römhild lehrt an der Hochschule Wismar im Gebiet Entwerfen, Gebäudeklima- und Lichtplanung