Kunststoffrohre: Kondition für 100 Jahre

Kunststoffrohre werden in der Versorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur seit Jahrzehnten eingesetzt. Die Qualitätssicherung auf der Baustelle entscheidet über Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit der thermoplastischen Werkstoffe. Unabhängige Experten sollten Materialauswahl und Bauausführung prüfen.

Kunststoffrohre kommen in der kommunalen Trinkwasser-, Abwasser- oder Gasversorgung bereits seit den 1970er-Jahren zum Einsatz. Gleichwohl bestehen in einigen Städten und Gemeinden noch Vorbehalte gegen das Material und seine Eignung. Dabei liegen die erfassten Schadensraten pro Kilometer bei Thermoplasten zum Teil um den Faktor 10 unter denen bei Rohren aus Gusseisen. Denn typische Leckagen wie durch Korrosion oder fehlerhafte Muffen entfallen.

Das zeigen auch Daten der Stadtentwässerung Göttingen, die bis 2010 bereits über 110 Kilometer Rohre aus Polyethylen (PE) verlegt hatte. Weitere aktuelle Beispiele für die erfolgreiche Anwendung von Kunststoff sind geschweißte Kanalrohre (Dükerbauwerke) im Tiefbahnhof Stuttgart oder 800 Kubikmeter Trinkwasser-Speicher für die Gemeinde Elbtal (Hessen). Welches Material geeignet ist, hängt trotzdem immer vom Einzelfall ab.

Gegenüber herkömmlich verlegten Rohren aus Stahl- oder Gusseisen kostet beispielsweise die grabenlose Verlegung von PE-Rohren 20 bis 50 Prozent weniger. Kunststoffe sind leichter und in der Regel auch günstiger als Stahl oder Gusseisen. Dabei haben die Materialkosten selbst oft nur einen Anteil von zehn Prozent an den Gesamtkosten. Der Großteil der Investitionen entfällt auf die Baumaßnahmen und das Fügen und Schweißen auf der Baustelle. Dort wird der Grundstein dafür gelegt, ob ein Rohrsystem aus Kunststoff bis zu 100 Jahren betrieben werden kann oder nicht.

Schweißnaht im Fokus

Drei Punkte entscheiden über die Qualität einer thermoplastischen Schweißnaht: das Verfahren, das eingesetzte Werkzeug und dessen Handhabung. Die Verfahren und Werkzeuge müssen hochwertig und auf das jeweilige Material abgestimmt sein. Zudem kommt es im besonderen Maß auf den Anwender und seine Fertigkeiten an. Schweißdruck, -temperatur und -geschwindigkeit müssen optimal zusammenspielen. Dazu gehört ein Bewusstsein für den korrekten Schweißprozess, die äußeren Bedingungen und die Baustellengegebenheiten. Wo die Außentemperaturen zu gering oder die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, müssen die Arbeitsbereiche eingehaust oder geheizt werden. Notfalls sind die Maßnahmen witterungsbedingt zu verschieben, was in der Praxis nicht immer geschieht.

Aufgrund der technischen Komplexität der Projekte kommt der baubegleitenden Qualitätssicherung eine zentrale Rolle zu. Unabhängige Prüfunternehmen qualifizieren vorab die eingesetzten Verfahren und Werkzeuge. Sie nehmen vor Ort anzufertigende Schweißmuster ab und bieten weitergehende Analysen an. Um die Güte einer Naht zu bestimmen, wird die Sichtprüfung mit einer Laboruntersuchung kombiniert. Baubegleitend entstehen dafür unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Maschinen und Halbzeugen Schweißproben. Sogenannte zerstörungsfreie Prüfungen mittels Ultraschall sind hier nur bedingt aussagekräftig. Denn Inhomogenitäten können auch herstellungsbedingt auftreten und gelten dann nicht als Schweißfehler.

Eine besonders elegante Möglichkeit, bestehende Trinkwasserleitungen zu rehabilitieren, haben die Stadtwerke München genutzt. Bei der sogenannten Close-fit-Installation wird ein gefalteter Inliner aus Polyethylen in Rohre eingeführt und dann mit Dampf in Form gebracht. Im Jahr 2012 hat der Versorger mit rund 3200 Kilometern Leitungsnetz das Verfahren erstmals angewandt. Bisher sind knapp 20 Kilometer Liner verlegt. Die Vorteile dafür waren nicht nur Einsparungen von bis zu 60 Prozent gegenüber einer herkömmlichen Sanierung. Auch waren nur punktuelle Tiefbaumaßnahmen nötig, was kürzere Bauzeiten und minimierte Umwelteinflüsse bedeutete. Das vereinfachte zugleich die behördliche Genehmigung. Auch wurde weniger öffentlicher Raum in Anspruch genommen, was die Akzeptanz in der Bevölkerung verbessert hat.

Kay Engel / Frank Griebel

Die Autoren
Kay Engel und Frank Griebel arbeiten am Institut für Kunststoffe von TÜV Süd Industrie Service in München

Info: Münchner Kunststoffrohrtage

Die Münchner Kunststoffrohrtage sind ein Fachforum rund um den Einsatz und die Anwendung von Rohrsystemen aus thermoplastischen Werkstoffen. Durch den Austausch mit Kollegen und Fachexperten können die Teilnehmer ihr Wissen vertiefen. Die Veranstaltung der TÜV-Süd-Akademie wird jeweils begleitet von einer Ausstellung.

Auf dem Programm der Tagung im April dieses Jahres standen zum Beispiel Vorträge über die Rehabilitation von Trinkwasserrohrleitungen (Markus Kagerer, Stadtwerke München) und über die Prüfung von Schweißverbindungen (Frank Griebel, TÜV Süd Industrie Service). Der nebenstehende Beitrag basiert auf Erkenntnissen der beiden Referenten.