Gesetz bietet mehr Möglichkeiten im Hochwasserschutz

Das novellierte Hochwasserschutzgesetz soll das Verwaltungsverfahren für den Bau von Hochwasserschutzanlagen vereinfachen und Klageverfahren gegen diese Anlagen beschleunigen. Was die Neuregelungen im Einzelnen bedeuten und wie sie zu bewerten sind, erläutert dieser Beitrag in zwei Teilen.

Vor allem die Flutkatastrophen der vergangenen Jahre haben dem Gesetzgeber die Notwendigkeit vor Augen geführt, den Schutz vor Hochwasser noch ernster zu nehmen. Mit der im Juni 2017 verabschiedeten Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) 2017 wollte er den Hochwasserschutz stärken und auf allen Ebenen vereinfachen. Das Hochwasserschutzgesetz II soll das Verwaltungsverfahren für den Bau von Hochwasserschutzanlagen vereinfachen und Klageverfahren gegen diese Anlagen beschleunigen.

Darüber hinaus setzt sich das Gesetz das Ziel, in Hochwasserrisikogebieten die Vorsorge zu verstärken und unter bestimmten Voraussetzungen Heizölverbrauchsanlagen in Gefährdungsgebieten zu verbieten. Dazu traten sowohl einige Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) als auch in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Kraft, bevor am 5. Januar 2018 die restlichen wesentlichen Änderungen im WHG, BauGB und Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Kraft getreten sind.

Doch was hat der Gesetzgeber für Länder, Kommunen und nicht zuletzt die von Hochwassern Betroffenen nun geändert? Im Wesentlichen handelt es sich um die folgenden Neuerungen:

Neu ist ein Vorkaufsrecht für die Länder an Grundstücken, die für Maßnahmen zum Zwecke des Hochwasserschutzes und des Gewässerschutzes benötigt werden. Erstreckt sich dabei das Gebiet, das zum Zwecke des Hochwasserschutzes benötigt wird, nur auf einen Teil des Grundstückes, haben die Länder naturgemäß auch nur das Vorkaufsrecht auf diesen Teil. Allerdings kann der Eigentümer verlangen, dass sich das Vorkaufsrecht auf das gesamte Grundstück erstreckt, sofern der Verbleib des restlichen Grundstückteils in seinem Eigentum wirtschaftlich unzumutbar ist. Das Vorkaufsrecht kann auch zugunsten von Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden.

Ein neuer Absatz 2 des Paragrafen 71 WHG stellt nun klar, dass eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, soweit sie zur Durchführung eines festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist, der dem Küsten- oder Hochwasserschutz dient. Neu ist auch der Paragraf 71 a WHG, der Regelungen zu einer vorzeitigen Besitzeinweisung beinhaltet. Dieser soll in Eilfällen, in denen das Enteignungsverfahren nicht abgewartet werden kann, eine Möglichkeit zur Inanspruchnahme bilden.

Paragraf 77 WHG regelt die Möglichkeit der vorsorglichen Bevorratung von Rückhalteflächen durch die Kommunen. Dar­über hinaus legt der neue Paragraf 77 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 WHG ausdrücklich fest, dass eine Ausgleichs und Ersatzmaßnahme nach Paragraf 16 Absatz 1 (bzw. nach § 15 Absatz 2 BNatSchG) zugleich Ausgleichsmaßnahme im Sinne des Paragrafen 77 Abs. 1 Satz 2 (neu) WHG sein kann.

Um Klageverfahren gegen Planfeststellungsverfahren in Bezug auf Maßnahmen des öffentlichen Hochwasserschutzes zu beschleunigen, gilt für diese zukünftig auch nur ein zweistufiges Rechtsschutzverfahren (gem. § 48 Abs. 1 Nr. 10 VwGO). Ob diese Neuerung allerdings angesichts der generellen Verlangsamung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur erwünschten Straffung führen wird, ist derzeit eher skeptisch zu beurteilen.

Auswirkungen auf die Nachbarschaft

Von großer Bedeutung innerhalb der Novelle des WHG ist die drittschützende Wirkung der Bestimmungen über Überschwemmungsgebiete. Sowohl in Paragraf 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 2, als auch in Paragraf 78 a Abs. 2 S. 3 WHG wird nun klargestellt, dass bei Ausnahmen von bestimmten baurechtlichen Verboten im WHG Auswirkungen auf die Nachbarschaft in die Prüfung miteinzubeziehen sind. Nun können auch Nachbarn vor Gericht ziehen, wenn sie potenziell betroffen sind.

Als Nachbarschaft sind dabei nicht nur die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, sondern alle diejenigen anzusehen, deren verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Eigentum durch die Erteilung einer Ausnahme von den in Überschwemmungsgebieten geltenden Verboten mehr als nur geringfügig beeinträchtigt sein können. Dieser – im Einzelfall zu bestimmende – Personenkreis erhält damit das Recht, Ausnahmeentscheidungen, die zum Beispiel zu einer Verschlechterung der Hochwassersituation auf ihrem Grundstück führen können, einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.

Paragraf 78c Abs.1 WHG begründet ein grundsätzliches Verbot für die Errichtung von Heizölverbraucheranlagen in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten. Von diesem Grundsatz kann auf Antrag abgewichen werden, wenn keine anderen weniger wassergefährdenden Energieträger zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten zur Verfügung stehen und die Anlage bei Errichtung gegen Hochwasser gesichert wird. Bereits vorhandene Anlagen müssen je nach Gebiet innerhalb einer Fünf-, oder 15-Jahresfrist hochwassersicher nachgerüstet werden (§ 78c Abs. 3 WHG).

Erhöhte Anforderungen an die Bauleitplanung

In Paragraf 78b WHG werden je nach Risikolage angepasste und angemessene Schutzmaßnahmen für Gebiete gefordert, die außerhalb der Überschwemmungsgebiete liegen, jedoch bei Hochwasser auch Risiko laufen, erhebliche Hochwasserschäden zu erleiden. Zur Einordnung dieser Gebiete wird auf den Paragrafen 74 Abs. 2 verwiesen. Vor der Novelle hatte die Einordnung als Risikogebiet lediglich die Verpflichtung zur Erstellung eines Risikomanagementplans nach Paragraf 75 WHG zur Folge. Mit der Änderung werden nun auch erhöhte Anforderungen an die Bauleitplanung und an die Bauweise gestellt (§ 78b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 WHG). Dies ist für Kommunen möglicherweise von erheblicher Bedeutung bei der Bauleitplanung.

Gänzlich neu ist die – aus Sachsen übernommene – Kategorie der Hochwasserentstehungsgebiete in Paragraf 78d WHG. Paragraf 78d Abs. 2 S.1 WHG stellt es dem Ermessen der Länder frei, Kriterien für das Vorliegen eines Hochwasserentstehungsgebietes festzulegen, wobei gemäß S. 2 die spezifischen Gegebenheiten der Gebiete bei der Festlegung zu berücksichtigen sind. Abs.1 definiert die Gebiete als solche, in denen bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse entstehen können, die zu einer Hochwassergefahr an oberirdischen Gewässern führen können. Ist ein Vorhaben in einem solchen festgelegten Gebiet gelegen, trifft den Vorhabenträger ein erheblicher Mehraufwand in Form eines eigenständigen Genehmigungserfordernisses nach Abs. 4.

Miriam Vollmer

Die Autorin
Dr. Miriam Vollmer ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Becker, Büttner, Held in Berlin

Info: In Teil 2 dieses Beitrags erörtert die Autorin Möglichkeiten und Risiken des Hochwassserschutzgesetzes II und nimmt eine Gesamtbewertung vor.