Ein Leben lang Lust am Lernen

Digitale Kompetenzen werden in Zukunft noch stärker als heute zur Voraussetzung sozialer Teilhabe werden. Senioren dürfen nicht den Anschluss verlieren. In der Organisation entsprechender Bildungsangebote und Netzwerke kann die Kommune eine zentrale Funktion übernehmen.

Die digitale Transformation spielt in unserem Alltag eine immer größere Rolle. Wie Globalisierung und Alterung verursacht und verstärkt sie gesellschaftlichen Wandel. Die Veränderungen betreffen alle Menschen. Städte und Regionen stehen vor der Aufgabe, Daseinsvorsorge für eine Welt zu leisten, in der die Menschen nicht ausschließlich analog und nicht ausschließlich virtuell leben. Das setzt leistungsfähiges Internet voraus und, ergänzend zu der vorhandenen analogen Infrastruktur, auch digitale Angebote und Services. Letztere können aber nur genutzt werden, wenn entsprechende Kompetenzen vorhanden sind. Diesen Dreiklang aus Zugang zum Netz, Infrastrukturen und Kompetenzvermittlung für die Bürger zu organisieren, ist eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe.

Für ältere Menschen besteht die konkrete Gefahr, digital abgehängt zu werden; auch wenn sie aufgrund der unterschiedlichen technischen Sozialisation keine homogene Gruppe sind. Die meisten Menschen über 60 Jahre pflegen einen anderen Umgang mit mobilen Endgeräten und digitalen Angeboten als junge Menschen, die ein Leben ohne Internet gar nicht kennen und ihr Smartphone intuitiv bedienen. Unter den älteren Menschen sind viele, die bisher gar keine oder wenig Berührung mit dem digitalen Teil der Welt haben. Deshalb sind unterschiedliche Angebote notwendig, wenn online angebotene Services angenommen werden sollen. Eine repräsentative Befragung hat die große Bedeutung digitaler Technologien im Alltag der Zukunft bestätigt.

Nutzen im Alltag

Die Digitalisierung bietet das Potenzial, den Alltag gerade in zunehmendem Alter oder fernab großer Metropolen und dicht besiedelter Regionen zu erleichtern. Wer guten Grund hat, per Videotelefonie zu kommunizieren, beispielsweise über eine größere Entfernung die Enkelkinder zu sehen und zu hören, dem ist nicht unbedingt bewusst, wie sehr er sich in dem Moment auf Neues einlässt. Solche Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung sind die Voraussetzungen, um dazuzulernen. Deshalb müssen digitale Angebote einen realen, unmittelbaren Nutzen haben.

Es reicht aber nicht, sich Bedienwissen für bestimmte Angebote anzueignen, denn das veraltet schnell. Über den einmaligen Erwerb digitaler Kompetenzen hinaus gilt es, darin fit zu bleiben und lebenslang zu lernen.

Wir wissen heute nicht, womit wir uns in zehn oder 20 Jahren digital beschäftigen werden. Deshalb ist es wichtig, vorhandene Technologien und Services reflektiert zu nutzen und die Folgen unseres Handelns einschätzen zu können.

Das zu erreichen, sogenanntes Orientierungswissen zu erwerben, das beim hohen Tempo der Entwicklungen auch morgen noch nutzt, ist nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Viele Akteure müssen zusammenarbeiten, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Menschen unterstützen, digital fit zu werden und zu bleiben. Die Nutzung relevanter Services soll ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Bei der Gestaltung dieser Bedingungen kommt älteren Menschen eine hohe Bedeutung zu. Mit ihrer Lebenserfahrung und mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln können sie entscheidende Impulse geben, wie neue Lerninhalte aussehen müssen und wie Menschen mit Unterstützungsbedarf erreicht werden können.

Es gibt bereits eine beeindruckende Community, die digitale Zugänge als soziale Teilhabe versteht und sich mit Blick auf ältere Menschen darum kümmert. Viele Initiativen und Projektangebote befassen sich in unterschiedlichen Formaten und Partnerschaften mit digitaler Unterstützung. Das kann beispielsweise ein Austausch zwischen Jung und Alt sein oder zwischen Senioren untereinander. Wesentlich ist, dass Menschen sich treffen und miteinander und voneinander lernen.

Sinnvoll ist es, für die jeweilige Kommune kontinuierliche Anlaufstellen auf- oder auszubauen. Der Bedarf ist sicher unterschiedlich. Beispiele sind die Unterstützung bei Updates oder Virenbefall, die Anleitung für den Online-Fahrkartenkauf oder grundsätzlich die Kommunikation via Smartphone. Vielleicht gibt es auch Rufbusse oder Fahrgemeinschaften, die per App genutzt werden sollen, oder die Nachbarschaftshilfe wird online organisiert.

Hilfreich ist, bewährte Angebote dauerhaft anzubieten und im Sinne einer Assistenzinfrastruktur (s. Literatur-Info unten) systematisch aufzubauen oder weiterzuentwickeln.

Die Kommune als Lebensmittelpunkt kann dabei vor allem koordinierend verantwortlich sein und die Abstimmung mit allen Partnern wie sozialen Trägern, Volkshochschulen, Bibliotheken und gesellschaftlichen Vertretern organisieren. Eine wirksame Unterstützung erreicht die Menschen da, wo sie sich aufhalten, und ist in diesem Sinne barrierefrei.

Finanzierung langfristig sichern

Zur Aufgabe der Koordination kommt naturgemäß die Frage der Finanzierung des kontinuierlichen Leistungsangebots hinzu. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund knapper finanzieller Ressourcen ist ein Mix zu empfehlen aus Fördermitteln, Nutzungsgebühren und Haushaltsmitteln.

Das beeindruckende zivilgesellschaftliche Engagement, das solche Unterstützung momentan leistet, sei es im eigenen Familien- und Freundeskreis oder darüber hinaus, wird dauerhaft nicht ausreichen, um die zunehmenden Herausforderungen zu meistern. Auch werden nicht alle Kommunen, sei es einzeln oder in regionalen Zusammenschlüssen, die erforderlichen Maßnahmen alleine stemmen können. Ein dem Digitalpakt Schule nachempfundener „Digitalpakt 60 plus“, der den Aufbau solcher Assistenzstrukturen unterstützt und schnelles Internet beispielsweise auch für Senioreneinrichtungen ermöglicht, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Petra Klug

Die Autorin
Petra Klug ist Demografie-Expertin und Senior-Projektmanager im Programm Lebenswerte Kommune bei der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh

Info: Die aktuelle Studie „Digital souverän? Kompetenzen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter“ der Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.) zeigt auf, wie digitale Souveränität auf unterschiedliche Art gestärkt werden kann. Ergänzend zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung enthält die Studie Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele. Die Studie beleuchtet unter anderem das „Seniorennetz“ des Netzwerks Märkisches Viertel, die Stadtteilbibliothek Köln-Kalk, die Versilberer-Partys des Vereins Wege aus der Einsamkeit in Berlin sowie den Digitalkompass der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und Deutschland sicher im Netz. Sie bieten Zugang zu digitalen Lernangeboten oder reale Orte, um persönliche Erfahrungen auszutauschen. – Bezug: Kostenloser Download (PDF, 80 S.)

Literatur: „Digital Kompakt: Assistenzinfrastrukturen“, Willi Kaczorowski, Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), 2019, 8 S. – Bezug: Kostenloser Download (PDF)

„Bildung und Digitalisierung für ältere Menschen. Im Fokus: Ländlicher Raum“, Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Hrsg.), 2019, Publikationsreihe Nr. 56 – Bezug: Kostenloser Download (PDF, 32 S.)