DWA-Präsident Uli Paetzel: „Gute und sichere Arbeitsplätze“

Viele Wasserverbände haben ihre Ausbildungszahlen erhöht, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Prof. Dr. Uli Paetzel, Präsident des Branchenverbands DWA, benennt im Interview die Argumente für Berufe im Wassersektor und sagt, was von der Digitalisierung zu erwarten ist.

Herr Prof. Paetzel, in vielen Unternehmen fehlen ingenieur- und informationstechnische Fachkräfte. Wie ist die aktuelle Situation in der Wasserwirtschaft?

Paetzel: In den kommenden Jahren werden auch in der Wasserwirtschaft viele Kolleginnen und Kollegen altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel der Beschäftigten in der Wasserwirtschaft älter als 50 Jahre sind, also in absehbarer Zeit in Rente gehen. Auch wir werden daher in den nächsten Jahren einen anhaltend hohen Bedarf an gut ausgebildeten MINT-Fachkräften haben.

In welchen Bereichen der Wasserwirtschaft herrscht der größte Bedarf?

Paetzel: Mir ist wichtig, dass wir, bei all den Debatten im akademischen Bereich, das nicht-akademische, technische Qualifikationsniveau nicht vergessen. Hier werden wir den quantitativ höchsten Bedarf haben. Daher haben viele Wasserverbände ihre Ausbildungszahlen kräftig erhöht und bilden teilweise deutlich über den eigenen Bedarf aus, um das Fachkräftereservoir insgesamt zu stärken. Ein wichtiger Schritt!

Gibt es Aufgabenbereiche und Berufsbilder, die an Bedeutung gewinnen werden?

Paetzel: Neben den klassischen Bereichen der Abwassertechnik, des Wasserbaus und der Siedlungswasserwirtschaft wird sich die zunehmende Digitalisierung auch im Fachkräftebedarf der Branche niederschlagen. Hier müssen wir künftig einen weiteren Schwerpunkt setzen und insbesondere für Informatiker attraktive Arbeitsbedingungen bieten.

Sie stehen der Emschergenossenschaft und dem Lippeverband vor. Mit welchen Argumenten werben Ihre Unternehmen um Auszubildende und neue Mitarbeiter – knapp gesagt: Was spricht für Wasser?

Paetzel: Ich glaube, für die Wasserbranche spricht die hohe Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Wir leisten jeden Tag einen konkreten Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt und der natürlichen Ressourcen. Darüber hinaus bieten wir unseren Beschäftigten gute und sichere Arbeitsplätze und attraktive Karriereperspektiven in einer echten Hightech-Branche. Die Wasserwirtschaft hat somit mehr zu bieten, als vielen vielleicht bekannt ist. Dies gilt es künftig stärker nach außen zu tragen.

Wie versuchen Sie den Anteil weiblicher Fach- und Führungskräfte zu erhöhen? Welche Rolle spielt in Ihren Unternehmen die Gendergerechtigkeit?

Paetzel: Bei Emschergenossenschaft und Lippeverband sind knapp ein Viertel der Beschäftigten weiblich. Damit liegen wir immerhin über dem Branchenschnitt, allerdings ist das kein Grund, sich zurückzulehnen. Ich glaube, wir brauchen beim Thema Frauenförderung einen breiten Mix von Ideen. Und daher haben wir viele Maßnahmen zur Frauenförderung auf den Weg gebracht. Durch eine gezielte Ansprache konnten wir beispielsweise die Zahl der Bewerbungen von Frauen in den letzten Jahren deutlich steigern. Gleichzeitig legen wir bei der Weiterentwicklung unserer Beschäftigten in unseren Nachwuchsprogrammen besonders viel Wert auf eine hohe Beteiligung von Potenzialträgerinnen, um die Zahl der weiblichen Führungskräfte kontinuierlich zu erhöhen. Darüber hinaus ist es – auch wenn die Aufgaben von Familie und Kindern eigentlich gleich verteilt sein sollten – insbesondere für unsere weiblichen Beschäftigten eine zusätzliche Hilfe, dass wir in Kooperation mit dem Regionalverband Ruhr vor zwei Jahren unsere erste Kita am Standort Essen eröffnen konnten.

Jüngst hat Ingo Wortmann, Präsident des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in unserem Job-Interview über die neue Online-Stellenbörse der Branche berichtet. Gibt es vergleichbare Aktivitäten in der Wasser- und Abwasserwirtschaft?

Paetzel: Die DWA bietet über ihre Verbandszeitschriften eine Jobbörse in gedruckter Form, vor allem aber im Internet an. Hiermit wird der Abwassersektor abgedeckt. Der Online-Stellenmarkt hat in den letzten Jahren und Monaten erheblich an Bedeutung und Zuspruch gewonnen. Derzeit findet man dort rund 60 Stellenangebote aus ganz Deutschland. Die DWA, genauer ihr wirtschaftlicher Schwesterverein GFA, arbeitet hierbei mit zahlreichen Jobportalen im Internet zusammen, indem Stellenangebote auch an anderer Stelle im Internet erscheinen, also die Verbreitung von Ausschreibungen maximiert wird. Darüber hinaus hat die Trinkwasserseite mit Partnern ein eigenes Portal aufgebaut, die „Berufswelten Energie & Wasser“.

Mit welchen Angeboten unterstützt die DWA ihre Mitglieder im fachlichen Personalmanagement?

Paetzel: Die DWA ist Marktführer in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften auf allen Qualifikationsebenen. Sie bietet hierzu zahlreiche Veranstaltungen in unterschiedlichen Formaten an. Ein Anliegen ist es ihr, die Berufe und Ausbildungen attraktiver zu machen. Hierzu dienen auch die von der DWA initiierten Berufswettbewerbe, die zum Beispiel auf der IFAT in München ausgerichtet werden. Zusätzlich bringt die DWA eine Reihe einschlägiger Veröffentlichungen heraus. Bereits 2017 ist ein Themenband mit dem Titel „Gutes Personalmanagement in der Wasserwirtschaft“ erschienen. Daneben gibt es Flyer und Broschüren zur Werbung für die Umwelttechnischen Berufe, Werbebanner, die beispielsweise an Zäunen befestigt werden können, aber auch Werbevideos, die Wasserwirtschaftsunternehmen individuell an ihren Betrieb anpassen können, sowie eine Anleitung für Betriebe, die Schülerpraktikanten betreuen. Letztlich ausschlaggebend bleibt die Initiative eines jeden Wasserwirtschaftsunternehmens vor Ort, wenn es erfolgreich fachlichen Nachwuchs oder erfahrene Kräfte anwerben möchte.

Im Zuge der Digitalisierung verändern sich Arbeitsabläufe und Leistungsanforderungen in den Betrieben. Sind die öffentlichen Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung darauf vorbereitet, diesen Wandel zu gestalten?

Paetzel: Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahren weitergehen und neue Lösungen bereitstellen, von der auch die Wasserwirtschaft profitieren wird. Wichtig ist, dass dies in den Unternehmen keine Lippenbekenntnisse sind, sondern entsprechend hohe Priorität bekommt. Damit kein Versorger bei diesem Prozess zurückbleibt, müssen wir uns innerhalb der Branche intensiv austauschen und voneinander lernen. Dazu können wir als DWA einen wichtigen Beitrag leisten.

Wird die Digitalisierung Ihrer Ansicht nach den Erhalt kleiner, dezentraler Betriebsgrößen und Versorgungsgebiete eher unterstützen oder die Schaffung größerer Einheiten fördern?

Paetzel: Wie sich die Digitalisierung auf die Struktur in der Wasserwirtschaft auswirkt, ist aktuell wahrscheinlich nicht seriös vorherzusagen. Wir haben viele leistungsstarke kleinere Anbieter, die eine digitale Transformation schultern können. Auf der anderen Seite warne ich allerdings davor, Kooperationen per se als etwas Schlechtes und Bedrohliches zu diskutieren. Das führt zu einer falschen Debatte. Aus nordrhein-westfälischer Perspektive würde ich sogar sagen, dass wir sehr zufrieden sind mit der regionalen Organisationsform der Wasserwirtschaft und eine flussgebietsweite Bewirtschaftung aus einer Hand sinnvoll ist.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Perspektiven der interkommunalen Zusammenarbeit in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung?

Paetzel: Wo und in welcher Form eine Zusammenarbeit zustande kommt, sollten im Einzelfall die Akteure vor Ort entscheiden. Wir erleben allerdings, dass wir an vielen Stellen – der bereits angesprochenen Digitalisierung, beim Fachkräftethema, bei Fragen des demografischen Wandels – vor ähnlichen Herausforderungen stehen und dass die Anforderungen an eine Wasserwirtschaft in Zeiten des Klimawandels steigen. Dies macht künftige Kooperationen sicherlich wahrscheinlicher.

Interview: Jörg Benzing

Zur Person: Prof. Dr. Uli Paetzel, (Jg. 1971) ist Vorstandsvorsitzender der beiden öffentlich-rechtlichen Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft und Lippeverband in Nordrhein-Westfalen sowie Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA)