Destinationsmanagement: Digitalen Wandel gestalten

Die Tourismusplanung steht vor der Herausforderung, die Möglichkeiten der Digitalisierung in Management und Marketing zu erkennen und zu nutzen.
Im Mittelpunkt des Organisationsprozesses: die Mitarbeiter.

Kaum ein Thema bewegt die Welt der Tourismusplanung so wie die digitale Transformation. In der Branche werden unter anderem die Möglichkeiten des Umgangs mit Open Data diskutiert. Dabei geht es um die Anforderungen, die das semantische Web mit sich bringt und die Bedarfe der Kunden, jederzeit möglichst relevante und aktuelle Daten zu erhalten. Technologieanbieter stellen die notwendigen Plattformen und entsprechende Software zur Verfügung. Die Landestourismusverbände arbeiten – mal schneller, mal langsamer – an Strategien, hochwertige Daten an den Gast zu bringen; sei es als Marketingmaßnahme, sei es als praktische Orientierungshilfe vor Ort.

Bei allen Fortschritten finden allerdings wichtige Akteure zu wenig Beachtung: die Mitarbeiter in Touristinformationen, Führungskräfte mittlerer und kleiner Tourismusverbände und touristische Leistungsträger. Also all jene auf lokaler und regionaler Ebene, die Daten beschaffen, bearbeiten, bewerten und zur Verfügung stellen müssen. Kurz: Die operative Ebene wurde bislang kaum einbezogen und steht nun vor einem gewaltigen Strukturwandel.

Laut der aktuellen Tourismusstudie „Lagebild zur Digitalisierung in deutschen Destinationen“ von BTE & DTV fühlen sich über 55 Prozent der Destinationsmanagementorganisationen (DMO) mit Tourist-Information (TI) und über 45 Prozent der DMO ohne TI „eher schlecht“ bis „sehr schlecht“ im Hinblick auf die Digitalisierung aufgestellt. Zudem fand die Studie heraus, dass zu 57 Prozent fehlendes Know-how und zu 45 Prozent eine unzureichende Qualität des Contents zwei der größten Hindernisse im digitalen Wandel darstellen. Die Tourismusberatung Compass hat im Hinblick darauf fünf Erfolgsfaktoren für die Implementierung von Digitalisierungsstrategien identifiziert.

1. ANALYSIEREN UND ZUHÖREN

Meist ist unklar, welche Daten wo in welcher Qualität, Form und Struktur vorliegen und wie diese aktualisiert, geprüft und aufbereitet werden. Hier gilt es, eine detaillierte Bestandsaufnahme zu machen und die Ergebnisse strukturiert zu dokumentieren. Dabei müssen sämtliche relevanten Daten wie Texte, Bilder, Wege, Points of Interest (POI), Daten der Kommunen, Gastronomiebetriebe und Unterkünfte untersucht werden. Zugleich sind die zugehörigen Qualitätskriterien zu benennen und auf Verbesserungsbedarf zu überprüfen.

Dabei müssen die Akteure einbezogen werden, die genau diese Arbeit verrichten. Hier beginnt der Transformationsprozess, den man nur erfolgreich gestalten kann, wenn man mit den Mitarbeitern spricht, die richtigen Fragen stellt, zuhört und auch mal das Klagen über den raschen Wandel annimmt.

Zeit ist dabei ein bedeutender Faktor. Es sollte allen Beteiligten klar sein, dass ein solcher Prozess dauert. Der erste Schritt ist in unter drei Monaten nicht realistisch umsetzbar.

2. BESTANDSAUFNAHME

Im Rahmen der Bestandsaufnahme werden die unterschiedlichsten Probleme aufkommen. So wird immer wieder in Frage gestellt werden, welchen Nutzen das Ganze eigentlich hat, wie die zukünftigen Aufgaben in der DMO aussehen werden und ob es nicht auch einfachere Wege gibt.

An dieser Stelle müssen sämtliche Fragen präzise geklärt werden. Es ist aber unerlässlich, nicht „von oben herab“ und aus Expertensicht zu agieren, sondern Informationen zu liefern, Fragen zu stellen und den Akteuren durch Coaching dabei zu helfen, selbst Antworten und Lösungen zu finden.

Einerseits muss vermittelt werden: DMO müssen sich zukünftig mehr um das Management von Daten kümmern als um operatives Marketing. Andererseits muss es gelingen, gemeinsam mit den Akteuren die Chancen zu erkennen und Perspektiven für die jeweiligen Funktionsbereiche herauszuarbeiten. In diesem Schritt liegt die große Chance und hier zeigt sich, ob der Transformationsprozess erfolgreich ablaufen wird.

Bei entsprechender Unterstützung werden die Beteiligten auch schnell erkennen, dass sich zukünftig neue Arbeitsfelder auftun werden, während bestehende Aufgaben wegfallen. Es wird sich zeigen, dass viele Mitarbeiter über Kompetenzen verfügen, die für die Transformation und die folgende operative Arbeit von großer Bedeutung sind.

Eine eindeutige Zielsetzung, die strukturierte Problembearbeitung, die Definition von klaren Maßnahmen und ein konkreter Zeitplan sollten Mindestbestandteile dieses Arbeitsschrittes sein, für den nochmal drei Monate angesetzt werden sollten.

3. UMSETZUNG

In dieser Phase sollte klar sein, welches Software-System für die Datenpflege genutzt wird. Die gewählte Lösung gibt vor, mit welcher Eingabemaske gearbeitet wird und wie die Qualitätsstandards der Text- und Bildbearbeitung definiert sind. Erste Testläufe und technische Schulungen werden erneut Herausforderungen aufzeigen, aber auch verdeutlichen, welches Potenzial die Digitalisierung mit sich bringt.

Die ersten Erfolge können produktiv genutzt werden. Sobald sichtbar wird, dass zum Beispiel Kommunikationskanäle genutzt werden, zu denen bisher kein Zugriff bestand, dass sich die Qualität der Außendarstellung deutlich erhöht oder dass positive Kommentare von Gästen kommen, kann an der Reorganisation der DMO-Strukturen gearbeitet werden. Da die Grundsatzfragen geklärt sind, werden nun neue Aufgaben verteilt – dies bestenfalls in Kooperation mit den Nachbarregionen oder den übergeordneten Tourismusverbänden.

4. ABLÄUFE DEFINIEREN UND OPTIMIEREN

Im Team müssen nun neue Abläufe und Aufgaben definiert werden. Es ist zu klären, wie die Daten dauerhaft aktuell gehalten werden können, wie neue und zeitlich begrenzte Angebote eingepflegt werden, wie Partner eingebunden und die Privatwirtschaft unterstützt werden kann. Zudem muss es Lösungen geben, ob und wie zukünftig Printprodukte entstehen und wie die Marketingarbeit insgesamt aussehen wird.

Es entstehen also neue Aufgabenprofile. Stellenbeschreibungen ändern sich und erweiterte Kompetenzen werden benötigt. Es ist herauszuarbeiten, welche Fertigkeiten noch fehlen und welche Schulungen durchgeführt werden müssen.

Von zentraler Bedeutung ist die Erarbeitung von Standards für interne Arbeitsschritte und externe Kooperationen. So weiß jeder zu jedem Zeitpunkt, was zu tun ist. Hierbei sollte nach dem Prinzip der permanenten Verbesserung vorgegangen werden. Das bedeutet, dass in sämtlichen Arbeitsschritten dokumentiert wird, wo Probleme auftraten, wie diese gelöst werden können und wie man zukünftig die Prozesse optimieren kann.

5. EFFEKTE UND CHANCEN ERKENNEN

Die Digitalisierung des Destinationsmanagements bietet allen Beteiligen große Chancen. So können mit geringem Aufwand spannende Geschichten erzählt und digital verbreitet werden. Die Interaktion mit dem Gast steigt, Rückmeldungen können unmittelbar aufgenommen und verarbeitet werden. Insgesamt werden die Mitarbeiter mehr Zeit für spannende Aufgaben verwenden, die zur Profilierung der Destination beitragen. Klare Strukturen sorgen für geringere Reibungsverluste bei der Kommunikation, und der Zeitaufwand bei der Pflege von Daten wird drastisch reduziert.

Zukünftig werden Destinationsmanager also andere Aufgaben zu erfüllen haben. Nicht die Bewerbung der Region durch die bekannten Marketingmaßnahmen wird im Vordergrund stehen, sondern das Management von Daten, die vom potenziellen Kunden automatisch gefunden werden.

Karsten Palme

Der Autor
Karsten Palme ist Senior Consultant und Geschäftsführer der Tourismusberatung Compass in Köln