Der Schlüssel zu klimafreundlicher Mobilität

Die Ladeinfrastruktur in Deutschland wächst. Gleichwohl bleibt noch viel zu tun, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Ulf Schulte, Geschäftsführer des Ladenetzbetreibers Allego, betont in unserem Interview die Bedeutung von Partnerschaften zur Erschließung der Potenziale.

Herr Schulte, bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf der Straße sein, heißt es im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Ein doch sehr sportliches Ziel, betrachtet man die Entwicklung bei den Zulassungszahlen. Bislang sind rund 100 000 „Stromer“ unterwegs. Warum geht es nicht voran?

Schulte: In der Vergangenheit sind viele Unternehmen und Kommunen das Thema Elektromobilität nur halbherzig angegangen. Die Begründung: Zu teuer, zu wenig Reichweite, keine Infrastruktur. Zweifel, dass Elektroautos sich durchsetzen, gibt es immer wieder. Aktuelle Zahlen und Entwicklungen zeigen jedoch, dass die Elektromobilität kommt! Die Ladeinfrastruktur in Deutschland wächst mit ordentlicher Geschwindigkeit. Hierzulande stehen bereits über 21.000 Ladepunkte zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 50 Prozent. Tendenz steigend. Wenn nun die E-Fahrzeuge für den Massenmarkt kommen, geht es richtig los.

Wie kommt der notwendige Drive in die E-Mobilität?

Schulte: Neben höheren Reichweiten der Batterien beflügeln vor allem niedrigere Preise den Kauf eines Elektroautos. Weitere Anreize können auch steuerliche Vorteile für E-Fahrzeuge mit sich bringen. Beim Thema Tarifübersicht müssen wir mit Sicherheit weiterdenken. Die Preisgestaltung an den Ladesäulen ist für wenige Nutzer transparent, es gibt viele Tarife und Ladekarten, hier muss es eine kundenorientierte Lösung geben. Die einfache Nutzbarkeit der Ladesäulen ist ebenfalls entscheidend. Unkompliziert und intuitiv muss es sein.

Der Gesetzgeber müsste eigentlich alles daransetzen, den Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland so einfach wie möglich zu machen. Stattdessen stellt er vor der Branche Hürden auf wie etwa die des Eichrechts. Wie sehen Sie das?

Schulte: Für Allego zeichnet sich eine moderne und zukunftsfähige Ladeinfrastruktur vor allem durch unkomplizierte Zugangsmöglichkeiten und nachvollziehbare Tarife aus. Dennoch, das Eichrecht an den Ladesäulen umzusetzen, ist bisher sehr komplex. Hier wird die deutsche Gründlichkeit zum Stolperstein eines schnellen Aufbaus der Ladeinfrastruktur. Für uns und viele andere Betreiber bedeutet die Umstellung einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Die Säulen müssen komplett ab- und wieder aufgebaut werden. Hier hätten wir uns für diese frühe Marktphase ein pragmatisches Vorgehen gewünscht.

Investoren und Betreibern fehlt vielfach noch die Motivation zum Bau und Betrieb von Ladepunkten. Was könnte aus Ihrer Sicht die notwendigen starken Impulse geben, damit sich das ändert?

Schulte: Elektromobilität ist der Schlüssel zu klimafreundlicher Mobilität. Das Investitionsklima war nie besser, Impulse gibt es genügend. Es gibt ein breites Förderangebot von Ländern, Städten, Gemeinden sowie der Industrie, mit dem der Übergang zur Elektromobilität erleichtert werden soll. Das Thema wird in den kommenden Jahren für immer mehr Unternehmen ein Investitions- und Wachstumsmarkt, und zwar längst nicht nur rund um die Automobilindustrie und Ladesäulenbetreiber, sondern für eine Vielzahl neuer Player: Telekommunikations- und IT-Unternehmen, Software- und Content-Provider, Energieunternehmen und auf E-Mobility spezialisierte Start-ups. Wir sehen daher, dass immer mehr Unternehmen von der nachhaltigen Innovationskraft und den Wachstumsimpulsen der Elektromobilität profitieren und hier verstärkt investieren.

In welchen Bereichen liegt für den Aufbau von Ladestationen das größte Potenzial? Welche Rolle spielen für ein dichtes Ladenetz die Kommunen und ihre Unternehmen, hier insbesondere die Stadtwerke?

Schulte: Das größte Potenzial liegt für uns im Aufbau von Ladestationen für kommunale Fahrzeugflotten, Firmenfuhrparks und den öffentlichen Nahverkehr. Dabei bleibt beim Aufbau von Ladestationen eins entscheidend: die richtige bedarfsgerechte Ladelösung, interoperabel und mit verschiedenen Ladeleistungen. Egal, ob AC-Ladelösung, DC-Schnelllader (50 kW) oder das ultraschnelle High Power Charging bis zu 350 kW. Städte und Kommunen brauchen einen Mix an Ladesäuleninfrastruktur, wenn es in die Masse geht. Hier bedarf es verstärkter Partnerschaften auch mit den Stadtwerken, insbesondere bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und Produkten rund um das Thema Elektromobilität. Nur gemeinsam können wir das Potenzial heben.

Was können, was sollten Städte und Gemeinden tun, damit der Aufbau auch gewerblicher und privater Ladestationen beschleunigt wird?

Schulte: E-Mobilität betrifft für Kommunen viele unterschiedliche Bereiche: Umwelt, Verkehr und natürlich auch Image. Der Gedanke, dass auch wirtschaftliche Entwicklung eine Rolle spielt, kommt leider oft noch zu kurz. Hier wären ein Umdenken und eine Offenheit für neue Partnerschaften wünschenswert. Oft dominieren Stadtwerke die Strukturen, sodass ein Marktzugang für uns als unabhängigen Betreiber mit offenen Ladestandards meist schwierig bleibt. Damit unterschiedliche Fahrzeugtypen an einer Stelle laden können, setzt Allego unter anderem auf multimodale Ladestandorte. Das sind beispielsweise Park-and-Ride-Einrichtungen und Verkehrsknotenpunkte wie Bahn- und Busbahnhöfe, die sowohl ultraschnelles Laden, Schnellladen als auch Standardladevorgänge von E-Taxis oder E-Bussen sowie E-Carsharing und E-Logistik am selben Ort ermöglichen. Für den weiteren Ausbau ist die Verfügbarkeit von geeigneten Flächen vor allem in verdichteten städtischen Räumen wie auch entlang der Fernverkehrswege eine zentrale Herausforderung. Hier sind wir auf der Suche nach weiteren Standortpartnern und auf die Kooperation von Kommunen angewiesen.

Die Verkehrswende erscheint derzeit noch als ein Stückwerk, der große integrale Plan fehlt. Sollten sich die Städte und Gemeinden hier nicht selbstbewusst als Steuerer positionieren, da ja die Mobilität der Zukunft vor Ort gemacht werden muss?

Schulte: Ja, Städte und Gemeinden sollten sich ihrer Schlüsselrolle bei der Verkehrswende bewusst werden und sich als deren Motor verstehen. Kommt es zur Planung, stehen die Kommunen vor dem Dilemma, die Relevanz der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum einschätzen zu müssen. Der große Plan fehlt dann meistens, obwohl Kommunen vielfältige Rollen beim Thema Elektromobilität übernehmen könnten, beispielsweise in der Bauleitplanung, bei der Bereitstellung von öffentlichen Personennahverkehrssystemen, als Beschaffer oder Betreiber kommunaler Flotten und auch als Genehmigungsbehörde für Ladeinfrastruktur und straßenrechtliche Privilegien sowie als Unterstützer beim Aufbau von emissionsfreien Mobilitätskonzepten.

Wenn wir einmal die Technik und die Konzepte für Ladestationen betrachten: Auf was kommt es hier an, damit die schnelle Entwicklung der E-Mobilität in den Kommunen und Regionen unterstützt wird?

Schulte: Die Technik wie verschiedene Steckertypen und Ladeleistungen ist bereits vorhanden. Die Handlungsfelder für eine schnelle Entwicklung der Elektromobilität sind weiterhin der Ausbau einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur und die Elektrifizierung der kommunalen Flotte und des öffentlichen Nahverkehrs. Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, Bürgerinformationen, die Umsetzung des Elektromobilitätsgesetzes, Förderung des Carsharings oder die Elektrifizierung gewerblicher Fuhrparks gehören ebenfalls in einem umfassenden Konzept berücksichtigt.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Ulf Schulte (Jg. 1971) ist Managing Director der deutschsprachigen Länder beim Ladenetzbetreiber Allego mit Sitz in Berlin. Das Unternehmen betreibt europaweit über 15.000 Ladepunkte und unterstützt Kommunen und E-Autofahrer über eine cloud-basierte Serviceplattform.