Daten rund um das Gebäude

Die Integration der digitalen Bauwerksmodellierung und des Internets der Dinge verändern die Planungs- und Fertigungsmethoden und heben das Bauen und Gebäudemanagement auf ein höheres Qualitätsniveau. Die gewonnenen Daten können auch fachübergreifend verwendet werden.

Mit Internet-der-Dinge-Technologien und dem Building Information Modeling (BIM, zu deutsch: digitale Bauwerksmodellierung) soll die Funktionsweise von Gebäuden revolutioniert werden. So oder so ähnlich konnte man es in den letzten zehn Jahren immer wieder hören oder lesen. Gemeint ist damit neben der „Intelligenz“ eines Gebäudes auch die Art und Weise, wie Gebäude untereinander und mit dem Menschen kommunizieren und wie Menschen in ihnen arbeiten oder leben. Aber während die Entwicklung digitaler Technologie für Gebäude immer weiter voranschreitet, dauert die Revolution länger, als einige erwartet haben. Kurzum ist „ein Großteil des Versprechens nicht erfüllt worden“, sagt Paul Kuehn, Senior Sales Director für verteilte Energie bei Centrica Business Solutions. Zumindest noch nicht. Denn obwohl in den nächsten zehn Jahren weltweit rund zehn Milliarden IoT-Geräte an die Cloud angeschlossen sein werden – in weiteren drei Jahren wird sich die Zahl auf 22 Milliarden Geräte mehr als verdoppeln – stellt sich die Frage nach dem Nutzen und der Vereinbarkeit der technischen Revolution mit der Lebenswirklichkeit.

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Möglichkeiten, die sich aus der Vision hinter IoT ergeben und die bereits heute Einfluss auf die Planung von Gebäuden haben. Neben dem IoT gehört das Building Information Modeling zu den digitalen Planungs- und Fertigungsmethoden der Zukunft. Das BIM ist in der Praxis teilweise schon angewendet, dessen tatsächliche Relevanz jedoch noch umstritten. Aktuelle Studien zeigen aber auf, dass gezielte BIM-Anwendungen zusammen mit IoT-Technologien das Bauen und Gebäudemanagement neu definieren und auf ein höheres Qualitätsniveau heben werden.

Das BIM-Modell besteht aus Daten, die über ein Informationsmodell so strukturiert werden, das ein Gebäude in digitaler Form abgebildet wird, also ein sogenannter digitaler Zwilling entsteht. Um dies wirklichkeitsgetreu machen zu können, werden spezialisierte Softwaresysteme benötigt, deren Funktionen weit über den Funktionsumfang herkömmlicher CAD-Systeme hinausgehen.

Zudem gibt es – vor allem für komplexe Gebäude – kein einzelnes BIM-Modell, sondern mehrere einzelne Modelle, die beispielsweise nach Fachmodellen, Gebäudeteilen, Geschossen oder Bauabschnitten aufgeteilt werden und deren Autoren Architekten, Fachplaner und technische Zeichner sind. Das BIM-Modell eines Projekts besteht letztendlich aus Teil- oder Fachmodellen, die in einem Koordinationsmodell zusammengeführt werden.

Durch die 3D-Darstellung im BIM-Modell werden alle relevanten Gebäudeinformationen abgebildet und verwaltet. Das Modell enthält beispielsweise Informationen zum Gebäudeaufbau wie die Struktur von Geschossen, Räumen und Fensterlisten sowie Daten zur technischen Gebäudeausstattung und zur angeschlossenen In­frastruktur und Umwelt. Diese Daten können schließlich zur Bewirtschaftung weitergenutzt werden. So bilden die baulichen Informationen die Basis auch für das Flächen- und Reinigungsmanagement. Außerdem können die Prozessdaten wieder an das BIM-Modell zurückgegeben werden. Auf Knopfdruck lassen sich damit umfängliche Auswertungen und zahlreiche Visualisierungsmöglichkeiten im BIM-Modell nutzen.

Im Gesamtkonstrukt des digitalen Gebäudes können die baulichen Informationen zusätzlich in Zusammenhang mit den Umgebungsdaten gebracht werden. Kommt es beispielsweise zu Ausfällen der Infrastruktur, können auf einen Blick mögliche Zusammenhänge mit anderen Gebäuden im Stadtviertel oder der Technischen Gebäudeausrüstung identifiziert werden.

An der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat man sich für einen praxisnahen BIM-Ansatz entschieden und einen von Studenten und Interessenten selbst erfahrbaren Digital-Twin-Prototyp für die Lehre und Forschung entwickelt. Öffentlich präsentiert wurde das vom „Lehrfonds FHNW“ finanzierte Projekt an der Fachmesse der Bau- und Immobilienwirtschaft Swissbau 2020. Federführend im interdisziplinären Projekt sind laut der Fachzeitschrift „Baublatt“ Dr. Wissam Wahbeh, Verantwortlicher für den Fachbereich BIM-Modellierungstechnologien am Institut Digitales Bauen, und Professor Dominique-Stephan Kunz, der die Gruppe technische Gebäudesysteme am Institut Energie am Bau leitet. „Mit unserem Prototyp wollen wir verständlich aufzeigen, wie sich mittels IoT – also dem Internet der Dinge – das digitale Bauwerksmodell mit dem realen Gebäude nutzbringend vernetzen lässt“, erläutert Architekt Wahbeh im „Baublatt“. Denn ein Building Information Model als digitales Abbild eines Gebäudes werde erst durch die interaktive Verbindung zur gebauten Realität zum richtigen Digital Twin, so ihre gemeinsame Auffassung.

Beispielgebend für neue Ansätze sind Lösungen, die visuelle Daten sowohl von IoT-Geräten als auch von BIM-Geräten erfassen, verbinden und präsentieren. Da IoT-Systeme in der Regel nur eine Auflistung von Sensoren und Sensorwerten enthalten, muss man einen Kontext herstellen, um zu verstehen, wo sich der Sensor befindet und was die Bedeutung seiner Werte ist. BIM-Modelle sind eine Möglichkeit, diesen Sensorwerten Bedeutung und Kontext zu geben und die Werte auch in Beziehung zueinander zu setzen. So wird es möglich, BIM-Modelle für eine genauere Analyse von Sensorwerten zu nutzen und Aussagen über praxisrelevante Messgrößen wie Temperaturwerte oder Energieverbräuche treffen zu können.

Im Dresdner Smart Systems Hub, dem größten IoT-Hub in Sachsen, erörtert man mit Partnern wie dem Gebäudemanagementspezialisten Noah Systems und dem IT-Systemhaus N&P Informationssysteme derzeit Anwendungen für BIM-Konzepte im Kontext der Gebäudesteuerung, -automation und -konditionierung sowie für Brandschutz und Sicherheit.

Die Zielgruppen hierfür sind klar definiert. Neben Eigentümern und Betreibern profitieren Mieter und Nutzer, Gebäudeverwalter und Gebäudedienstleister gleichermaßen von der Möglichkeit eines zentralen Systems. Wartungsprozesse können durch den digitalen Zwilling effizienter, kostengünstiger und weniger personalaufwendig gestaltet werden. Welcher Lichtschalter wurde im Gebäude verbaut? Wo befinden sich welche Kabel? Wann muss ich bestimmte Elemente austauschen und wie komme ich dort am schnellsten hin? Gerade im Bereich des Energiecontrollings und der Instandhaltung sowie der Navigation von Personen im Gebäude ergeben sich zahlreiche Geschäftsmodelle.

Doch während architektonische sowie bauplanerische Prozesse seit Jahrzehnten gelernt sind und sich bewährt haben, fällt die Auswahl von IoT-Technologien nicht leicht. Welche Cloud-, Sensor- oder sonstigen IKT-Technologien sind am Markt etabliert und können so verplant werden, dass sie in Zukunft auch ihren Mehrwert aus der Sicht von Gebäudebesitzern entfalten können? Denn während das Gebäude in mehreren Jahrzehnten noch immer voll funktionsfähig sein sollte, ist es der Sensor mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr. Hier liegt ein technologiebedingtes Dilemma, das es in den kommenden Jahren zu lösen gilt.

Michael Kaiser

Der Autor
Michael Kaiser ist Managing Director bei Smart Systems Hub in Dresden (mk@smart-systems-hub.de)