Bürger mit Außenwerbung gezielt digital informieren

Außenwerbemedien werben normalerweise für Produkte oder Veranstaltungen. In Krisensituationen erfüllen sie eine neue Rolle: Sie können Bürger schnell und zielgerichtet über aktuelle Entwicklungen oder Hilfsangebote informieren. Alexander Stotz, CEO von Ströer Media Deutschland, über Außenwerbung während der Pandemie, digitale Displays für die Stadtgesellschaft und die Entwicklung der Kommunen zu Smart City.

Treffpunkt Kommune: Covid-19 hat im Frühjahr das öffentliche Leben in Deutschland weitgehend lahmgelegt, die Innenstädte waren aufgrund von Ausgangsbeschränkungen und des Lockdown in Handel, Gastronomie und Tourismus quasi menschenleer. Wie hat sich das bei Ihrem Unternehmen ausgewirkt, das sein Geschäft mit Außenwerbung und standortbezogener digitaler Werbung macht?

Alexander Stotz: Natürlich ging der Lockdown auch an uns nicht spurlos vorbei. Schließlich waren hier zum einen unsere direkten werbungtreibenden Kunden betroffen und zum anderen fehlte uns die sonst übliche „Einschaltquote“ für unsere Außenwerbemedien. Wir haben jedoch aus vergangenen Krisen gelernt – aus den Finanzkrisen 2008 und 2011 – und eine gewisse Routine und Ruhe in unser Krisenmanagement gebracht. Zudem waren trotz Social Distancing ja doch immer noch viele Menschen draußen unterwegs, zum Beispiel um zur Arbeit oder zum Supermarkt zu gelangen. Genau diese mobilen Menschen sollten natürlich auch die Informationen der Bundesregierung und der städtischen Krisenstäbe erreichen. Auch Hilfsangebote mussten schnell und gezielt publik gemacht werden. Und ein Danke an die Helfer wollte man auch immer häufiger platzieren. Uns war schnell klar, dass wir die Flächen, die sonst von Handel und Gewerbe gebucht wurden, sinnvoll in den Dienst der Coronabekämpfung und -prävention stellen können. Und seit den ersten Lockerungen merken wir glücklicherweise auch wieder eine Aufbruchsstimmung in der Werbebranche.

Bei der Kommunikation der Städte und ihrer Gesundheitsbehörden zur Durchsetzung des Vorsichts- und Abstandsgebots im öffentlichen Raum musste es in den Anfängen der Corona-Pandemie schnell gehen mit eilig angefertigten Hinweis- und Absperrschildern und schnell gezogenen Flatterbändern. Konnte Ihr Unternehmen bei der Kommunikation helfen?

Alexander Stotz: Gerade wenn es schnell gehen muss, sind digitale Medien die erste Wahl. Deshalb standen wir auch sehr schnell mit dem Bundesgesundheitsministerium im Austausch, das bereits seit Mitte März auf unseren rund 5.000 öffentlichen, digitalen Screens deutschlandweit mit verschiedenen Corona-Kampagnen unter „Zusammen gegen Corona #wirbleibenzuhause“ präsent ist. Zahlreiche Behörden, Landesministerien und öffentliche Institutionen erkannten ebenfalls ihren Bedarf an flexiblen Kanälen zur Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern und nutzen diese entsprechend. Informationen wie Verhaltensregeln oder Hinweise von Polizei, Feuerwehr und Behörden sowie Vorgaben der Bundesregierung sollten möglichst zeitnah und zielgerichtet bei der Bevölkerung ankommen – auch, beziehungsweise vor allem, im öffentlichen Raum. Durch unsere digitalen Stadtinformationsanlagen, welche an den Hauptverkehrsstraßen platziert sind, in den Bahnhöfen und im Wartebereich des ÖPNV, können offizielle, klar erkennbare Absender vertrauenswürdige Informationen direkt an die Empfänger verbreiten – also an die Bürgerinnen und Bürger. Diese Informationen müssen nicht erst selbst gesucht, eingeschaltet oder im Internet recherchiert werden – und eignen sich deshalb in besonderem Maße für amtliche Mitteilungen. Auch zahlreiche Städte setzen verstärkt auf digitale Außenwerbung und damit auf den direkten, aktiven Kanal zu den Bürgern. Unseren kommunalen Partnern wird immer mehr bewusst, wie wichtig es ist, sich als Stadt die Faktenhoheit im öffentlichen Raum zu sichern. Objektive Informationen, eindeutige Absender und Transparenz sind zurzeit wichtiger denn je und sorgen in diesen turbulenten Zeiten für Vertrauen. Ergänzend zu den Informationen von Bund und Ländern, können die Städte so die für ihre Bürger vor Ort relevanten Informationen moderieren – und bringen die richtige Information an die richtige Stelle: Vom Verhalten im ÖPNV bis hin zur lokalen Verschärfung oder Lockerung von Maßnahmen.

Können Screens die städtische Krisenkommunikation generell wirksam unterstützen?

Alexander Stotz: Auf jeden Fall. Eine gut organisierte und vor allem schnelle Krisenkommunikation ist grundsätzlich enorm wichtig. Es gibt nahezu täglich unterschiedlichste Lagen, in denen es entscheidend ist, schnell zu informieren – beispielsweise mit Unwetterwarnungen, Hinweise auf Bombenentschärfungen oder gesperrte Innenstadt-Bereiche. Dass Screens im öffentlichen Raum mit ihrer Möglichkeit, ad hoc und ortsbezogen zu agieren, für Sicherheitsbehörden besonders hilfreich sind, hat nicht zuletzt dazu geführt, dass digitale Außenwerbemedien seit 2018 neben TV, Radio und Handy-Apps als offizielle Warnmultiplikatoren gelten. Dies wurde in einem bundesweit gültigen Multiplikatorenvertrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geregelt, den seitdem jede Stadt und jedes Bundesland mit nur wenigen Modifikationen nutzen kann. In Hamburg laufen seit 2018 auf unseren digitalen Stadtinformationsanlagen Sicherheitswarnmeldungen der Stufe 1. Basis für die Warnmeldungen ist das satellitengestützte Warnsystem von Bund und Ländern (kurz MoWaS), an das unsere Screens nun genau wie die anderen Multiplikatoren angeschlossen sind. Natürlich funktioniert dies auch mit anderen Warnsystemen wie KATWARN und NINA. Außerdem stehen die Screens auch für regelmäßige Präventionshinweise, beispielsweise zum Schulanfang oder für die Besuchsstromlenkung bei Großveranstaltungen, zur Verfügung. Mit unseren Screens unterstützen wir auch die Suche nach vermissten Kindern. Hierfür arbeiten wir schon seit vielen Jahren eng mit der „Initiative vermisste Kinder“ und der Polizei zusammen und konnten so durch schnell ausgespielte Suchmeldungen auf Screens im öffentlichen Raum bereits einige Male erfolgreich helfen.

Welcher Nutzen könnte sich noch ergeben für digitale Displays, der der Stadtgesellschaft dient?

Alexander Stotz: Ein digitales Stadtinformations-Netzwerk ist wichtiger denn je. Das hat die aktuelle Situation gezeigt – und das wird auch danach noch so sein. Wir leben in einem digitalen Zeitalter mit medialer Informationsflut. Über einen Kanal in den öffentlichen Raum hinein – einen digitalen Stadt-Kanal – ist es für Städte und Kommunen möglich, wichtige Hinweise und relevante Vor-Ort-Informationen z.B. aus dem Rathaus, zu Wetter und Kultur zu platzieren. Oder auch sensorische Messwerte: Informationen über die aktuelle Feinstaubbelastung können zeitpunktgenau und ortsbezogen platziert und daraus z.B. Verkehrsleitinformationen abgeleitet und an die Bevölkerung kommuniziert werden. Insgesamt entsteht durch solche Screens eine zusätzliche Möglichkeit, mit den Bürgerinnen und Bürgern in einen Dialog zu treten.
Einen weiteren Mehrwert bieten die Screens übrigens auch durch das Sichtbarmachen von ehrenamtlichem Engagement. Besonders während der Pandemie sind Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß. Durch Corona und den Lockdown entstand für viele Kleinstunternehmen eine existenzbedrohende Situation. In zahlreichen Branchen wurde plötzlich Unterstützung benötigt – und wird es noch. Und überall möchten Menschen helfen. Es gibt viele bemerkenswerte Ideen und Initiativen. Diese wirken aber nur, wenn man auch davon erfährt. Es hat mich wirklich sehr gefreut, dass wir an dieser Stelle unterstützen konnten, denn mit unseren digitalen Stadtinformationsanlagen können wir solche Hilfsangebote schnell, unbürokratisch und vor allem kostenneutral präsent machen. Und zwar genau dort, wo sie angeboten werden – also stadt- oder sogar stadtteilbezogen. Aus diesem Grund haben wir zahlreichen Initiativen digitale Werbeflächen pro bono für gesellschaftliches Engagement zur Verfügung gestellt. Beispielhaft sei hier die “coronaschool” genannt – eine Plattform, die kostenfrei den Kontakt zwischen Schülern und Studenten vermittelt, um beim anfallenden Lernstoff zu unterstützen. Oder die Einkaufs-App “Bring&Ring”, durch die man sich Einkäufe bringen lassen oder für andere einkaufen gehen kann. Auch die Aktion “Kochen für Helden” haben wir gerne medial unterstützt. Eine Aktion von Gastronomen, die all jene kostenlos mit Mahlzeiten versorgen, die dafür sorgen, dass unser Leben trotz Krise weiterläuft: Menschen in Funktionsberufen (Ärzte, Pfleger, Supermarkt-Angestellte etc.) sowie alle anderen Held*innen unseres Alltags.

Die Entwicklung der Kommunen zur Smart City liegt im Trend, und neben den Außenwerbemedien unterstützen auch multifunktionale Stadtmöbel durch entsprechende technische Ausrüstung die Kommunikation und digitale Vernetzung. Weil die Stadt der Zukunft auch nachhaltiger werden will – was kann Stadtmöblierung in diesem Bereich leisten?

Alexander Stotz: Eine ganze Menge. Zum einen sind unsere Außenwerbemedien und Stadtmöbel bereits im Stadtbild etabliert. Sie stehen im öffentlichen Raum und bieten Stauraum und Flächen, die zusätzlich genutzt werden können. Zum anderen verfügen sie über Strom- und Internetanschlüsse und bieten damit eine technische und digitale Infrastruktur, auf der man aufbauen kann, ohne weitere Elemente in das Stadtbild integrieren zu müssen. Als Infrastrukturanbieter und Partner der Städte arbeiten wir schon seit längerer Zeit an unterschiedlichen Lösungen und mit Experten anderer Branchen zusammen. Ein großes Thema in Städten ist aktuell zum Beispiel das der Luftreinigung. Die zunehmende Feinstaubbelastung, drohende Fahrverbote – das sind Entwicklungen, die zum Handeln antreiben. Für die biologische Luftfilterung und ein gutes Mikroklima begrünen wir beispielsweise die Dächer von Buswartehallen und Litfasssäulen mit sogenannten Bienenweiden. Eine technische Filterlösung haben wir letztes Jahr auf dem Smart City Expo World Congress 2019 in Barcelona zusammen mit Filter-Marktführer Mann+Hummel vorgestellt: Filteranlagen – integriert in Buswartehallen und Außenwerbevitrinen, die für gereinigte Luft in Wartebereichen und an besonders belasteten Straßen sorgen. Auch die Nutzung der Ströer-Werbeträger und -Stadtmöbel für die Integration von kleinen Mess-Einheiten ist ein großes Thema. Mit Hilfe unseres Kooperationspartners HawaDawa integrieren wir aktuell erste Einheiten in unsere Produkte, welche die relevanten WHO-Messwerte für Luftqualität erfassen: Stickstoffoxide, NO2, NOX, Feinstaub der Klasse 10 μm (PM 10), Feinstaub der Klasse 2,5 μm (PM 2,5), Ozon, Schall, Temperatur, Feuchte etc. Die so erhobenen Messdaten werden mit anderen, zur Verfügung stehenden Umweltdaten gematcht. Dadurch kann perspektivisch ein Prognosemodell entstehen, das den Verkehr umleitet, bevor die Luftbelastung zu hoch wird und es zu Fahrverboten kommt.
Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass Stadtmöbel und Außenwerbemedien durchaus einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung des Smart City-Ansatzes leisten können – kommunikativ, digital und nachhaltig.
red.