Ausgleich zwischen laut und leise

Der Lärmschutz genießt in der Bauleitplanung große Bedeutung. Gleichwohl erschwert die Vielzahl von Regelwerken die Beurteilung von Geräuschimmissionen und infolge auch die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen. Das betrifft auch die neue Baurechtskategorie „urbanes Gebiet“

In Deutschland gelten seit einigen Jahren Geräusche von Straßenverkehr und Nachbarn als Hauptquellen von Lärmbelästigungen. Besonders Großstädte sind überdurchschnittlich vom Umweltproblem Lärm betroffen. Das Heranrücken lärmempfindlicher Nutzungen an vorhandene lärmemittierende Anlagen beziehungsweise an bestehende lärmemittierende Verkehrswege stellt regelmäßig eine planungsrechtliche Herausforderung dar. Demgemäß spielt der Schutz vor Lärm bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bebauungsplänen eine wichtige Rolle. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über Herausforderungen und Handlungsbedarfe beim Lärmschutz in der Bauleitplanung gegeben.

Innerhalb des Bauplanungsrechts erfolgt wegen seines Grundanliegens – der bodenbezogenen Regulierung der Nutzungen – lediglich eine sehr grobmaschige Auseinandersetzung mit Geräuschimmissionen. So enthalten weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) emissions- oder immissionsrelevante Grenzwerte oder Regeln zur Beurteilung von Lärm. Dennoch erfolgt im Rahmen der Bauleitplanung durch die Regelung der baulichen Zulässigkeit die räumliche Zuordnung störender und schutzwürdiger Nutzungen. So ergeht aus den Baugebietsvorschriften der BauNVO, entsprechend der Zweckbestimmung des jeweiligen Gebiets, eine gewisse Schutzwürdigkeit beziehungsweise ein zulässiger Störgrad emittierender Anlagen. Dieser Störgrad wird nicht unwesentlich durch die im Baugebiet zulässigen Nutzungen bestimmt.

Auch gibt es in der Bundesrepublik kein allgemeines Gesetz zum Schutz vor schädlichen Geräuschimmissionen. Vielmehr existieren eine Reihe verschiedener Regelwerke unterschiedlicher Rechtsnatur. Sie liefern getrennt nach Lärmquellen oder -arten emissions- oder immissionsbezogene Grenz-, Richt- und Orientierungswerte, welche durch die planenden Gemeinden zur Beurteilung von Lärm herangezogen werden können oder müssen. Die Vielzahl und das Nebeneinander von Regelwerken erschwert jedoch die Beurteilung von Geräuschimmissionen.

Festsetzungen zum Immissionsschutz oft fehlerhaft

Die Gemeinden stehen vor allem in der Innenentwicklung regelmäßig vor der Herausforderung, lärmbelastete Flächen überhaupt einer neuen Entwicklung zuzuführen und dabei die Lärmkonflikte aufzulösen. Allerdings gestaltet sich diese Konfliktlösung oft kompliziert: Zum einen ist die Konfliktvermeidung durch bloßes Abstandhalten im Rahmen der Innenentwicklung oft weder möglich noch sinnvoll, zum anderen sehen sich die Gemeinden beispielsweise bei der Überplanung von Gemengelagen mit erheblichen Vorbelastungen konfrontiert.

Um trotz allem eine nachhaltige Innenentwicklung zu gewährleisten, ist es häufig nötig, bereits auf Ebene der Bebauungsplanung eine Konfliktlösung herbeizuführen, insbesondere da auf Grundlage des Paragrafen 15 BauNVO nur das Maß an Rücksichtnahme erwartet werden kann, das durch das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vorgegeben wird und passiver Schallschutz nur vereinzelt infrage kommt.

Um das Planen und Bauen zumindest in innerstädtischen Gebieten zu erleichtern, wurde im Zuge der Baurechtsnovelle 2017 das sogenannte urbane Gebiet als Paragraf 6a in die BauNVO aufgenommen. Durch die neue Baugebietskategorie soll der Handlungsspielraum bei Nutzungskonkurrenzen sowie den damit einhergehenden Lärmschutzkonflikten erweitert werden, ohne das hohe Lärmschutzniveau zu verlassen.

Zwar vereinfacht das urbane Gebiet durch die flexible Nutzungsmischung und die vergleichsweise hohen Richtwerte innerhalb der Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) von tags 63 dB(A) und nachts 45 dB(A) das Planen und Bauen, allerdings trägt es nicht zu einer Lösung des Grundproblems bei: So sind die sektorale Betrachtung und Beurteilung der einzelnen Lärmquellen, die unterschiedlichen Verbindlichkeiten der technischen Regelwerke zum Lärmschutz sowie die unterschiedlichen Maßnahmen, die für eine Konfliktbewältigung herangezogen werden können für die Rechtsanwender zum Teil schwer vermittel- und nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass ein Großteil der materiell-rechtlichen Fehler, die zu einer Teil-/Unwirksamkeit von Bebauungsplänen in der Normenkontrolle führen, auf fehlerhafte Festsetzungen zum Immissionsschutz zurückgehen. Das belegen die Ergebnisse des Lehrforschungsprojekt der FH Erfurt, bei welchem auf Grundlage einer Dokumentenanalyse 293 abstrakte Normenkontrollentscheidungen zu Bebauungsplänen im Zeitraum vom 20010 bis 2016 ausgewertet wurden. Es bleibt daher abzuwarten, ob mit einer der kommenden Novellen die lange ersehnte Vereinfachung des Bauplanungsrechts und des Immissionsschutzrechts erfolgt.

Maria Köppen-Fuhrmann

Die Autorin
Maria Köppen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Städtebau Berlin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung in Berlin