Andreas Urbich: „Im offenen Dialog mit den Bürgern“

Die Aufgabenvielfalt der Verwaltung verlangt von den Mitarbeitern lebenslanges Lernen. Dr. Andreas Urbich, Geschäftsführer des Kommunalen Bildungswerks in Berlin, kennt die aktuell gefragten Themen und sagt: „Wer seinen Fachkräften gute Fortbildungsmöglichkeiten bietet, wird sie auch halten können.“

Herr Urbich, der Name Ihres Vereins ist Programm: Kommunales Bildungswerk. Wo genau sehen Sie Ihre Aufgabe im Wissensmanagement und -transfer der Verwaltung von Städten und Gemeinden?

Urbich: Lebenslanges Lernen ist heutzutage weniger ein Ideal als eine essentielle Notwendigkeit, um die Aufgabenvielfalt im Job zu bewältigen. Unser Ziel ist es, Mitarbeiter und Führungskräfte im öffentlichen Dienst auf die Herausforderungen der Berufswelt von morgen vorzubereiten und sie auf diesem Weg zu begleiten. Vielerorts ist noch nicht angekommen – zumindest sind das unsere Erfahrungen – dass wir uns inmitten eines grundlegenden demografischen Veränderungsprozesses befinden. Der „Kampf um die besten Köpfe“ hat in der Wirtschaft schon längst begonnen. Viele Kommunen sehen das noch nicht. Sie glauben noch immer, beim öffentlichen Dienst stehen die Bewerber Schlange, wenn eine Stelle ausgeschrieben wird. Wir wollen als Bildungseinrichtung dazu beitragen, dass die Fachkräfte agil bleiben, ihre Tätigkeiten souverän innerhalb geltender rechtlicher Rahmenbedingungen ausüben können und sie befähigt werden, den zunehmend offenen Dialog mit ihrem Gegenüber – dem Bürger – zu führen. Moderne Arbeitsmethoden, sichere Rechtskenntnisse und fundierte Fachkompetenzen können wir mit dem gesamten Spektrum unserer Fortbildungen vermitteln. So gestalten wir gutes Verwaltungshandeln mit.

Welche Bildungsformate pflegen Sie?

Urbich: Unser Bildungsangebot besteht aus vier Segmenten: Die offenen Seminarangebote sind für jedermann zugänglich und machen den größten Anteil unserer Fortbildungen aus. Zudem sind es Inhouse-Schulungen, die von Kunden nach individuellen Vorgaben gebucht und gemeinsam mit diesen auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten werden. Das waren immerhin 1800 im vergangenen Jahr. Drittens haben sich unsere jährlich etwa 20 Tagungen und Fachtage etabliert. Diese Netzwerkkongresse mit Experten aus Theorie und Praxis dienen dem überregionalen Austausch. Unterschiedliche didaktische Varianten wie Workshops, Trainings, Coachings sind selbstverständlich Bestandteil unserer Bildungskonzepte. Alle Bildungsformate finden deutschlandweit statt. Und dann bieten wir seit über einem Jahr gemeinsam mit unserem Bildungspartner GIBT Colleg Webinare zu verschiedenen Themen an. In der Fachpresse war es über lange Zeit die überwiegende Meinung, dass das Bildungsformat Webinare die Präsenzseminare in kurzer Zeit ablösen wird. Ich bin zwischenzeitlich zur Überzeugung gelangt, dass die Präsenzveranstaltungen noch eine lange Zeit unverzichtbar sind. Webinare sind eine sinnvolle Ergänzung. Sie ersetzen aber nicht das menschliche Miteinander und das Networking einer guten Präsenzveranstaltung.

Der allgemeine Wandel der Berufswelt erfordert lebenslanges Lernen. Müssen Sie diesbezüglich in den Kommunen und kommunalen Unternehmen für Ihr Angebot noch extra werben?

Urbich: Nicht selten steht das Ideal vom lebenslangen Lernen in Diskrepanz zur vorherrschenden beruflichen Realität, gekennzeichnet durch die hohe Arbeitsverdichtung und Zeitknappheit. Insofern müssen wir schon Überzeugungsarbeit leisten, dass es sich lohnt, das operative Tagesgeschäft zu verlassen, um sich weiterzubilden. Vor allem im Austausch mit den Fachkollegen im Seminar kann man neue Ideen entwickeln. Ohne Werbung mit Augenmaß funktioniert auch die Bildung für den öffentlichen Dienst nicht. Und zwar Werbung auf verschiedenen Kanälen. Wir nutzen hier vor allem die herkömmlichen Mittel. Dazu zählen wir neben dem gedruckten Halbjahresprogramm auch die Newsletter und die Webseite. Mittlerweile kommen 90 Prozent der Anmeldungen über die Webseite. Bei der Nutzung sozialer Medien, insbesondere Facebook, sind wir zurückhaltend. Unsere Zielgruppe ist es auch.

Digitalisierung verlangt höhere Flexibilität

Wie wirkt die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen sich Ihrer Einschätzung nach auf die Organisation der Verwaltung aus?

Urbich: Die Digitalisierung treibt den Wandel in der öffentlichen Verwaltung rasant voran. Die elektronische Akte in der Behörde konnte sich vor Jahren kaum einer so richtig vorstellen. Das Bild vom Hängeregister und der Pappakte war Realität. Aber hier ist etwas in Bewegung gekommen, das nicht mehr aufzuhalten ist. Die Beschleunigung des Verwaltungshandelns und eine Effizienzsteigerung bei wahrscheinlich schrumpfendem Personalschlüssel werden die Folge sein. Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung eine höhere Flexibilität aller Beteiligten. Dies erfordert auch ein Umdenken in Bezug auf die Organisationskultur, traditionelle Führungsrollen, die Personalorganisation und die Kommunikationsstruktur. Hierarchien werden abflachen und althergebrachte Arbeitsteilungen innerhalb und zwischen Fachämtern werden sich verändern. Hier werden Teams gefragt sein, die kreativ denken und auch ungewöhnliche Lösungswege suchen. Ich bin überzeugt davon, dass dadurch die Verwaltung gerade auch für die sogenannte Generation Z attraktiv wird. Das sind die zwischen 1994 und 2010 Geborenen, die die Digitalisierung des Alltags bereits komplett in ihr Leben integriert hat.

Resultiert aus diesem Wandel heraus eine verstärkte Nachfrage nach Ihren Weiterbildungen mit IT-Schwerpunkt?

Urbich: Natürlich haben wir uns dem E-Trend in unseren Angeboten gestellt. Erstmals bieten wir zum Beispiel in diesem Jahr im August einen E-Fachtag in Berlin an. Aber von einer Sache sind wir doch selbst überrascht. Wir haben damit gerechnet, dass das Interesse an traditionellen Themen der IT-Fortbildung, den klassischen Office-Seminaren, abflacht. Aber das Gegenteil ist der Fall. Diese Themen erleben, zumindest bei uns, eine Renaissance. Vielleicht investieren die Personalverantwortlichen gerade jetzt im Prozess des elektronischen Wandels verstärkt darin, ihren Mitarbeitern solide IT-Kenntnisse zu vermitteln.

Welche Bedeutung haben für Sie Rückmeldungen von Teilnehmern oder Arbeitgebern darüber, wie Seminarinhalte im beruflichen Alltag eingesetzt werden konnten?

Urbich: Wir nehmen solches Feedback dankbar auf. Für uns heißt es immer: „Aus der Praxis für die Praxis.“ Es ist uns daher ein besonderes Anliegen, im Beruf stehende Praktiker als Lehrkräfte zu gewinnen. Sie wissen am besten, welche der zu vermittelnden Wissensbestände in realistische Arbeitsweisen übersetzt werden können. Wir erhalten im Nachgang zu jedem Seminar immer eine ausführliche Auswertung durch die Teilnehmer. Die Evaluation erfolgt dann bei uns seitens des verantwortlichen inhaltlichen Ansprechpartners. In vielen Telefongesprächen, auf Tagungen oder Kundenveranstaltungen suchen wir darüber hinaus regelmäßig den Dialog mit den Kunden.

Hochwertige Fortbildung ist ein Standortfaktor

Das Aufgabenspektrum der Kommunalverwaltung ist so vielfältig wie die Lebenslagen der Menschen. Wie gelingt es Ihnen, fachlich überall mit Ihren Bildungsangeboten auf Höhe der Zeit zu bleiben?

Urbich: Diese Frage wird uns von unseren Kunden oft gestellt. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir unseren Sitz in Berlin haben, einer Stadt mit einer sehr guten Bibliotheksinfrastruktur. Dort analysieren wir regelmäßig sehr gründlich eine große Anzahl von Fachzeitschriften. Auch die Fachverlage versorgen uns monatlich mit etwa 25 Fachzeitschriften. Die Fachbeiträge werten wir systematisch aus und erkennen so die aktuellen Rechtsentwicklungen. Es bestätigt sich immer wieder aufs Neue: Wer einen guten Schreibstil hat, der ist in der Regel auch ein guter Referent. Zudem empfehlen uns auch unsere über 700 Referenten neue Themen. Und schließlich sind uns die Teilnehmer Ideengeber. Von unseren Planungsmitarbeitern erwarte ich auch, dass sie politisch interessiert sind, die Sitzungen von Bundestag und Bundesrat und auch die aktuelle Rechtsprechung der Bundesgerichte verfolgen.

Die Kommunen stehen vor einem Generationenwechsel. Viele Fach- und Führungskräfte aus den geburtenstarken Jahrgängen werden aus dem Dienst ausscheiden. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Herausforderungen der Verwaltungsmitarbeiter: Können fehlende Ressourcen durch zusätzliche Qualifizierungen des Stammpersonals aufgefangen werden?

Urbich: Sicherlich ist die Qualifizierung des Stammpersonals eines von mehreren Mitteln, um den demografischen Wandel zu meistern. Wir sehen schon, dass unsere Kunden verstärkt solche Seminare buchen, die den Teilnehmern in kompakter Form das notwendige Fachwissen vermitteln. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zusammen und sind dort auch Mitträger eines An-Instituts. Gemeinsam haben wir Kurse entwickelt, die nach einer Prüfung mit einem Hochschulzertifikat abschließen. Diese Kurse erfahren eine große Resonanz und sind in der Praxis sehr beliebt. Das ist Fortbildung auf höchstem Niveau. Auch mit der Steinbeis-Hochschule besteht eine solche Zusammenarbeit. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass qualitativ hochwertige Fortbildung zunehmend als ein Standortvorteil angesehen wird. Wer seinen Fachkräften gute Fortbildungsmöglichkeiten bietet, der wird sie auch halten können.

Interview: Jörg Benzing

Zur Person: Dr. Andreas Urbich (Jg. 1953) ist Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Kommunalen Bildungswerks in Berlin